Präsidentenwahl in Russland: Wladimir Putin bekommt Konkurrenz
Die Journalistin Xenia Sobtschak will sich im kommenden März dem Wählervotum stellen. Manche Beobachter halten das für ein Projekt des Kreml.
Das dürfte kein Problem werden. Denn die Kandidatur Sobtschaks scheint ohnehin auf einem Projekt des Kreml zu beruhen. Die Präsidialadministration suchte schon seit dem Spätsommer eine Frau, die die Rolle der Herausforderin annehmen und mit Leben erfüllen könnte.
Xenia Sobtschak ist eine ideale Kandidatin. Sie ist bekannt, nicht auf den Mund gefallen und schloss die diplomatische Kaderschmiede MGIMO mit Diplom ab.
Sie könnte sogar, würde Kremlchef Wladimir Putin es jemals wagen, sich ungefilterten Fragen zu stellen, den Präsidenten inhaltlich in die Bredouille bringen. Zurzeit ist sie auf dem oppositionellen Internet-Sender TV-Doschd mit einem Interviewformat zu sehen. Sobtschak direkt, heißt das frei übersetzt.
Auf Seiten der Opposition
Die Arbeit im Kanal Doschd war bereits die Folge einer Abstrafung. 2012 hatte sich Sobtschak nach dem Wahlbetrug bei der Duma-Wahl 2011 auf die Seite der Opposition geschlagen. Aus „Russlands Paris Hilton“ wurde über Nacht eine Protestlerin, die sich auch auf der Straße Gehör verschaffen konnte.
Langsam legte sie auch das Image einer „Blondinen in Schokolade“ ab, so Sobtschak über sich selbst. Vorher hatte sie auch Sendungen wie „Dschungelcamp“ moderiert.
Schmerzlich ist es jedoch, nicht mehr in den vom Kreml kontrollierten TV-Kanälen auftreten zu können. Diese erreichen größere Kreise und zahlen bessere Gagen. Die Kremlmedien verbannten sie damals umgehend.
Beobachter vermuten, der Präsident hätte ihr nun die Rückkehr in die Staats-TV-Szene in Aussicht gestellt. Als Belohnung für den Wahleinsatz.
Wegbegleiter von Boris Jelzin
Xenia kennt Wladimir Putin schon sehr lange. Vater Anatolij Sobtschak war Demokrat der ersten Stunde und Wegbegleiter des russischen Präsidenten Boris Jelzin. Als Sobtschak Bürgermeister in St. Petersburg wurde, stellte er Wladimir Putin als Vize-Bürgermeister ein.
Putins Töchter waren Xenias Spielgefährtinnen. Gerüchte hielten sich lange, Wladimir Putin sei auch der Patenonkel von Xenia Sobtschak. Das hielt diese nicht davon ab, ihm und dem System öffentlich die Meinung zu sagen.
Auch im Werbespot für die jetzige Kandidatur kommt Sobtschak für russische Verhältnisse rotzfrech daher. Russlands Spitzenpolitiker sind empfindlich. So hart wie sie sich nach außen geben, so verletzbar sind sie in eigener Sache.
Sobtschak macht sich lustig über Putin und die treue Altherrenriege seiner ewigen Sparing-Partner. Natürlich weiß die Journalistin, dass auch sie keine Chancen hat.
„Liberales Gespött“
Der bislang einzig ernstzunehmende Gegenkandidat, Alexei Nawalny, nannte Sobtschaks Vorstoß denn auch „ziemlich widerwärtig“. Sie lasse sich vom Kreml zum „liberalen Gespött“ machen, sagte der Herausforderer, dem der Kreml die Teilnahme verweigert.
Xenia sei Putins Spoiler, so Nawalny. Die Mehrheit der kremlkritischen Kräfte dürfte dem zustimmen. Sobtschak tritt mit dem Programmpunkt „gegen alle“ an. Diese Wahlmöglichkeit soll wieder eingeführt werden. Sie war gestrichen worden.
Klar ist, die Wahlbeteiligung wird mit Sobtschak zunehmen. Das ehemalige „Schokomädchen“ verschafft dem Kreml mit der Kandidatur auch etwas mehr Legitimation. Die Führung befürchtete nämlich, die Beteiligung könnte niedrig ausfallen. Zu niedrig für ein Plebiszit über Wladimir Putin als das der Kreml diesen Urnengang sieht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss