: Zwei Seiten sind eine zu viel
Reporterin von US-Zeitung in der Türkei verurteilt
Von Fatma Aydemir
Journalistisch hat Ayla Albayrak alles richtig gemacht. In ihrem Bericht vom 19. August 2015, kurz nachdem der Waffenstillstand zwischen dem türkischem Militär und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK nach nur drei Jahren platzte, lässt sie beide Seiten zu Wort kommen: Die Wall-Street-Journal-Reporterin zitiert sowohl Regierungsstatements als auch Sprecher*innen der bewaffneten PKK, um die kriegsähnlichen Zustände in der Südosttürkei einzuordnen und ihre Hintergründe und Motive zu erklären.
Dem türkischen Staat sind journalistische Standards egal. Gerade wenn es um den Kurdenkonflikt geht. Mit dem Vorwurf der „Terrorpropaganda“ in dem oben genannten Text wurde die finnisch-türkische Journalistin zu einer 25-monatigen Haftstrafe verurteilt, teilte das Wall Street Journal am Dienstag mit. Die Reporterin hält sich dem Statement zufolge derzeit in New York auf.
Die US-Zeitung selbst bezeichnete den Artikel als ausgewogen. Albayrak kündigte an, sie werde das Urteil anfechten. Die türkischen Behörden bestätigten nicht, dass ein solches Urteil gefallen sei. In der Türkei wurde der Fall nie öffentlich gemacht.
Angespanntes Verhältnis
Die Beziehung zwischen der Türkei und den USA ist zurzeit angespannt: Nachdem die Türkei einen Mitarbeiter des US-Konsulats in Istanbul am vergangenen Mittwoch wegen „Spionage“ festgenommen hatte, setzten zuerst die USA und anschließend die Türkei ihre Visa-Vergaben für das jeweils andere Land aus. Die türkische Regierung geht seit dem gescheiterten Militärputsch vom Juli 2016 massiv gegen kritische Journalisten vor, inländische wie ausländische.
Ähnlich wie Albayrak wurde auch der Welt-Korrespondent Deniz Yücel bei einem ersten Verhör im Februar mit dem Propagandavorwurf konfrontiert, aufgrund seiner Berichterstattung zum Konflikt in der Südosttürkei. Er sitzt immer noch in Untersuchungshaft, ohne dass eine Anklageschrift vorliegt.
Nach den Parlamentswahlen im Juni 2015, bei denen erstmals eine prokurdische Partei die Zehnprozenthürde schaffte, wurden die Friedensverhandlungen plötzlich abgebrochen. Auch davon erzählt Albayrak in ihrem Bericht, von der Angst des Machtverlusts aufseiten der AKP-Regierung und dem Beschuss, unter dem die Zivilbevölkerung im südöstlichen Silopi stand.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen