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Mit Strom gegen Dunst

Den Ausbau der Elektromobilität will Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) fördern. In der Tat ist Hamburg Vorreiter. Moderne Mobilität vermissen Umweltgruppen aber weiterhin

Von Sven-Michael Veit

Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sieht sich als Pionier: „Wir durchbrechen das Henne-Ei-Prinzip“, sagte er am Mittwoch bei der Inbetriebnahme der 600. Ladestation für Elektroautos vor der Justizbehörde an der Drehbahn in der Innenstadt. Wenn die Stadt für die Infrastruktur sorge, würde das den Umstieg auf E-Autos fördern, glaubt Scholz. Schon in etwa fünf Jahren werde „ein substanzieller Teil der Kraftfahrzeuge aus E-Autos bestehen“. Aktuell sind es nach Angaben der Verkehrsbehörde in Hamburg exakt 2.387 von rund 700.000 zugelassenen Autos.

Scholz kündigte an, bis 2019 solle es in der Stadt rund 1.000 öffentlich zugänglichen Ladepunkte geben. Hinzu kommen 150 Switchh-Standorte, an denen Bahnfahrer in E-Car-Sharing-Fahrzeuge umsteigen können. Hamburgs Vorreiterrolle bei der Elektromobilität zeige sich nach Angaben der Verkehrsbehörde daran, dass die Stadt fast ein Fünftel aller Ladestationen bundesweit vorhält: 3.200 sollen es in ganz Deutschland sein. Die Nutzung habe sich von knapp 3.000 monatlichen Ladevorgängen in den Vorjahren auf 5.900 im September 2017 nahezu verdoppelt, verbraucht werde 100-prozentiger Ökostrom des städtischen Versorgers Hamburg Energie.

Mit zunehmender Zahl von E-Autos werde der Verkehr in der Stadt auch leiser und sauberer, so der Bürgermeister. Er will auf mittlere Sicht den Wohnungsbau auch an Hauptverkehrsstraßen steigern, zudem drängen Umweltverbände und auch Verwaltungsgerichte auf die Einhaltung von Grenzwerten für Schadstoffe in der Atemluft.

So reagierten mehrere Umweltverbände im Sommer mit heftiger Kritik auf den Luftreinhalteplan des Senats. Dieser gewährleiste nicht „die schnellstmögliche Einhaltung“ der Grenzwerte, sagte BUND-Chef Manfred Braasch. Der Senatsplan sieht dieses Ziel erst für 2025 vor: „Noch acht Jahre Warten ist eindeutig inakzeptabel“, so Braasch. Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die bereits gegen 16 deutsche Städte Klagen eingereicht hat, fordert ultimativ, „dass die Bürger in Deutschland 2018 saubere Luft in ihren Städten einatmen können“.

Luft und Autos

Der Hamburger Senat hat Ende Juni einen neuen Luftreinhalteplan beschlossen. Er sieht für PKWs und LKWs, die nicht der Euro-6-Norm entsprechen, ab 1. Januar 2018 einige „Durchfahrtsbeschränkungen“ vor.

Umweltzonen oder City-Maut wird es auch weiterhin nicht geben. „Wir ergreifen alle Maßnahmen unterhalb von Fahrverboten“, kündigte der grüne Umweltsenator Jens Kerstan an.

Malte Siegert vom Nabu Hamburg hält auch wenig von der E-Offensive des Senats. „Der große Schub ist nicht zu erkennen“, kommentiert er die Ausbauziele des Bürgermeisters. Zwar seien E-Autos deutlich leiser als Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, aber ab 30 Stundenkilometern seien Rollgeräusche stärker als Motorenlärm. Für Wohnungsbau an Hauptstraßen sei deshalb „Flüsterasphalt und Tempo 30 notwendig“, so Siegert.

Zudem könne von keiner Reduzierung des Individualverkehrs die Rede sein, kritisiert er. „Wer Park-&-Ride-Plätze am Stadtrand kostenpflichtig macht, darf sich nicht wundern, wenn Pendler weiterhin mit dem Auto in die Stadt fahren.“ Deshalb müsse der Ausbau des Bahn- und Busnetzes konsequenter umgesetzt werden, fordert der Mann vom Nabu: „Es fehlt in Hamburg noch immer die Grundsatzentscheidung für eine moderne und umweltfreundliche Mobilität.“

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