Eine Kugel Glyphosat, bitte

Forscher haben das Pflanzenschutzmittel jetzt auch im beliebten Fairtrade-Eis Ben & Jerry’s nachgewiesen. Wie giftig es ist, ist strittig – auch weil langfristige industrieunabhängige Studien fehlen

Von Roland Lindenblatt

Glyphosat kann auch in Eis von Ben & Jerry’s enthalten sein. Das sagten der französische Forscher Gilles-Eric Seralani und sein US-Kollege John Fagan am Dienstag dieser Woche in einer Pressekonferenz in Brüssel. Sie hatten vierzehn Eisbecher des Unilever-Tochterunternehmens untersucht, die unter dem Label „Fairtrade“ verkauft werden. In zwölf davon fanden sie Spuren des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat.

Ben und Jerry’s wehrte sich prompt. „Um den Grenzwert von 0,5 Milligramm pro Kilogramm des Körpergewichtes pro Tag zu erreichen, müsste ein 34 Kilogramm wiegendes Kind 24.101 Becher essen“, so der Eishersteller. In anderen Nahrungsmitteln seien längst viel größere Mengen Glyphosat nachgewiesen worden: Bei früheren Untersuchungen in den USA sei in Bio-Weizenvollkornbrot 78-mal so viel, in einer beliebten Marke Vollkorn-Frühstücksflocken gar 646-mal so viel Glyphosat gemessen worden wie jetzt in dem Eis.

„Glyphosat ist überall in unserem Essen“, sagt Michèle Rivasi, Abgeordnete der Grünen im EU-Parlament. Auf Anfrage nennt auch sie verschiedene Studien, bei denen das Pestizid in Linsen, Müsli und Zwieback gefunden wurde. „Glyphosat vergiftet unsere Körper“, sagt die Abgeordnete.

Auch Heike Moldenhauer vom Umweltverband BUND warnt: „Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend“. Keiner könne sagen, wie viele Moleküle Glyphosat Krebs auslösten. Grenzwerte seien daher überflüssig. Sie fordert ein Verbot für das Pestizid.

Die Wissenschaft ist sich nicht einig darüber, ob Gly­phosat krebserregend ist. Die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation stuft Glyphosat zwar als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Zum Vergleich: Als „sicher krebserregend“ gelten Ethanol in alkoholischen Getränken und Dieselabgase.

Die unterschiedlichen Einschätzungen resultierten daraus, dass es keine langfristigen industrieunabhängigen Studien gebe, bemängelt der Deutsche Ärztetag. Schon länger ist bekannt, dass verschiedene Zulassungsbehörden ihre Gutachten in Teilen von Monsanto abgeschrieben haben – zum Teil ohne Kennzeichnung. Auch EU-Politiker sind daher verunsichert, ob die Zulassung von Glyphosat verlängert werden sollte. Die jetzige läuft zum Jahresende ab. Nach einer Anhörung am Mittwoch forderten EU-Parlamentarier einen Untersuchungsausschuss.