: Gefängnis statt Praktikum
Ein Österreicher muss ins Gefängnis, weil er auf einer G20-Demo Flaschen warf und eine Frau am Kopf traf
Von Marthe Ruddat
Zu Beginn des zweiten Verhandlungstages hat die Verteidigerin eine Erklärung verlesen: Der Angeklagte gibt die ihm vorgeworfenen Flaschenwürfe zu. Das Geständnis wertete die Richterin am Amtsgericht Altona zwar mildernd, sie verurteilte Sebastian B. am Donnerstag trotzdem wegen gefährlicher Körperverletzung, versuchter Sachbeschädigung und Angriff auf Polizeibeamte zu einem Jahr und sechs Monaten Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Jahr und zehn Monate gefordert.
Bei der ansonsten friedlich verlaufenden Demo „TechNo G20“ warf B. mehrere Flaschen. Mit einer Halbliter-Bierflasche traf er eine Passantin am Kopf. Sie erlitt eine Platzwunde, die genäht werden musste.
„Das wollte ich unter keinen Umständen und das tut mir leid“, ließ der Österreicher über seine Anwältin erklären. Er habe nicht auf Menschen gezielt, sondern habe Polizeiautos treffen wollen. Die Richterin hielt in ihrem Urteil dennoch an dem Angriff auf Polizeibeamte fest. B. gab auch an, stark alkoholisiert gewesen zu sein. Er habe harten Alkohol getrunken, Speed genommen. Einen Bluttest in der Gefangenensammelstelle lehnte er damals aber ab.
In Österreich ist B. mehrfach vorbestraft, saß im Gefängnis. Bei seinen Vergehen handelte es sich hauptsächlich um Beschaffungskriminalität. Der 23-Jährige war Crystel-Meth-abhängig. Aber er hatte einen Entzug gemacht und kam schon kurze Zeit vor dem G20-Gipfel nach Hamburg, um „neu anzufangen“, wie seine Anwältin sagte. Während seiner U-Haft organisierte er sich einen Mietvertrag und einen Praktikumsplatz.
Für die Richterin nicht genug. „Mit einer positiven Sozialprognose tue ich mich schwer“, sagte sie. Der Angeklagte sei schließlich trotz Bewährung erneut straffällig geworden. Außerdem sei eine solche Tat besonders „traurig, weil friedliche Demonstranten in Mitleidenschaft gezogen werden“. Die verletzte Frau brauche noch Zeit, um das Geschehene zu verarbeiten.
Es ist die dritte Haftstrafe, die in erster Instanz gegen G20-Flaschenwerfer verhängt wurde. Ein Senegalese wurde zwar zu Haft verurteilt, kam aber vorerst auf freien Fuß, um seinen Aufenthaltsstatus legalisieren zu können. Das Urteil gegen B.ist noch nicht rechtskräftig.
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