: Trotz Mordes unschuldig?
Am Montag beginnt in Malaysia ein Prozess gegen zwei Frauen. Sie sollen den Halbbruder des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un im vergangenen Februar vergiftet haben. Viele Indizien deuten darauf hin, dass sie nicht wussten, was sie taten
Von Felix Lee, Peking
Als Siti Aisyah Mitte April zum ersten Mal vor einem Gericht in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur erschien, wirkte sie noch zuversichtlich, dass sie straffrei davon kommen würde. Schließlich sei sie hinters Licht geführt worden.
Die 25-jährige Indonesierin und ihre Mitangeklagte hätten gedacht, an einer Fernsehsendung mit versteckter Kamera teilzunehmen. Sie sollten dem ihnen ausgewiesenen Mann einen Streich spielen.
Doch schon bei der zweiten Anhörung Ende Mai sah Aisyah sehr viel blasser aus. Inzwischen war sie im Bilde, wem sie am Morgen des 13. Februars auf dem Internationalen Flughafen von Kuala Lumpur eine Substanz ins Gesicht geschmiert hatte: Kim Jong Nam, dem Halbbruder des nordkoreanischen Machthabers.
Wegen des Giftmords wird ihr und Doan Thi Huong aus Vietnam am Montag der Prozess gemacht. Ihnen wird vorgeworfen, dem 45-jährigen Kim Jong Nam mit dem Nervengas VX vergiftet zu haben. Bei einer Verurteilung droht die Todesstrafe.
Nur: Sind sie wirklich schuldig? Doug Bock Clark, Journalist der US-Ausgabe des Magazins GQ, hat sich intensiv mit den Hintergründen dieses Mordes beschäftigt. Nach monatelangen Recherchen ist es ihm gelungen, zu rekonstruieren, wie die nordkoreanischen Auftraggeber Kontakt zu den beiden Frauen aufgenommen hatten. Doan Thi Huon ist in einem vietnamesischen Dorf aufgewachsen und landete im Rotlichtviertel von Hanoi als „Eskort“. Ein verdeckter Agent aus Nordkorea rekrutierte sie.
Aisyah ist am 5. Januar angeheuert worden. Ein Mann habe ihr angeboten, eine Rolle in einer Realityshow zu übernehmen. Sie solle bei laufender Kamera Passanten mit Babyöl einschmieren.
Pro Dreh erhielt sie 100 US-Dollar bar auf die Hand. Das ist mehr als das Sechsfache was sie für den „Service“ an einem Kunden bekommen würde.
Beim ersten Verhör nach ihrer Festnahme fragte sie, wann sie endlich raus dürfe. Beim zweiten Mal beschwerte sie sich, dass sie noch nicht für den Sketch bezahlt worden sei. Erst beim vierten Verhör dämmerte ihr, das ihre Festnahme nicht Teil des Drehs war. Vom nordkoreanischen Machthaber wusste sie nichts.
Für den malaysischen Polizeichef war der Fall zunächst eindeutig. Schließlich waren die zwei Frauen direkt nach dem Attentat auf die Toilette geeilt und hatten sich ihre Hände gewaschen. Das belegen Aufnahmen der Überwachungskameras.
Aus seiner Sicht wussten sie vom Wirkungsgrad des Gifts. Die Anwälte der beiden Frauen fragen jedoch: Will man sich nicht immer die Hände waschen, nachdem man etwas Schmieriges angefasst hat?
Aisyah und Huong sind die einzigen, die sich in dem Mordfall vor Gericht verantworten müssen. Vier Verdächtige konnten nach der Tat sofort nach Nordkorea entkommen.
Drei weitere verschanzten sich in der nordkoreanischen Botschaft in Kuala Lumpur. Sie erhielten anderthalb Monate später eine Ausreiseerlaubnis – nachdem das Regime in Nordkorea malaysische Geschäftsleute ausfliegen ließ, die es bis dahin in Pjöngjang als Geisel festgehalten hatte.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen