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Kommentar Hasskriminalität und AfDDas System muss reformiert werden

Kommentar von Axel Ruppert

Auch wegen der AfD sind rassistische Äußerungen mehrheitsfähig geworden. Hasskriminalität wird in Deutschland nicht strukturiert erfasst.

So isses! Foto: dpa

D ie AfD hat in den vergangenen zwei Jahren hartnäckig daran gearbeitet, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. Dass dürften sogar in der Partei selbst die wenigsten bestreiten. Gezielte Provokation gehört zur AfD-Strategie. Es ist ihr Instrument, um ihre Anhängerschaft zu erweitern und zu mobilisieren. Über mindestens vier Jahre hat die AfD nun eine öffentliche Bühne und gesteigerte Aufmerksamkeit für ihren rassistischen Diskurs. Die Folgen werden besonders diejenigen spüren, die schon jetzt in ihrem Alltag mit Rassismus konfrontiert sind.

In Sachsen, wo die AfD seit 2014 im Landtag sitzt, sieht die Opferberatung RAA Sachsen bereits, wie sich durch AfD und Pegida der öffentliche Diskurs nach rechts verschoben hat. Beleidigungen und Angriffe haben zugenommen, auch weil rassistische Äußerungen mehrheitsfähig geworden sind. Nicht zuletzt haben die Ereignisse in Großbritannien nach dem Brexit-Votum eindrücklich gezeigt: Das Erstarken von Rechtspopulisten und die Verbreitung ihrer rassistischen Aussagen kann zu einem deutlichen Anstieg von Hasskriminalität führen.

Ob Hasskriminalität hierzulande weiter ansteigen wird, wissen wir noch nicht. Wir müssen allerdings in der Lage sein, eine solche Entwicklung mit offiziellen Statistiken nachzuvollziehen. Denn wird Hasskriminalität nicht erfasst, existiert sie auch nicht. Genau das ist in Deutschland das Problem: Rassistisch motivierte Straftaten werden nicht durchgehend strukturiert aufgenommen. Um Klarheit darüber zu haben, wie sich die AfD im Bundestag auf die Sicherheit von Muslimen, Juden, Roma und Sinti, Schwarzen und Migranten auswirkt, müssen die Behörden endlich ihr System zur Erfassung von Hasskriminalität reformieren.

Rassistisch motivierte Straftaten müssen früh als solche erkannt und von anderen Delikten getrennt werden. Wenn rassistischen Aussagen Taten folgen, sind wir in der Pflicht, dies klar zu benennen. Erst wenn wir eine ehrliche Debatte über strukturellen Rassismus führen, macht das Erkennen auch einen Unterschied für die Betroffenen.

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8 Kommentare

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  • "Denn wird Hasskriminalität nicht erfasst, existiert sie auch nicht." Also alles, worüber keine Statistik erstellt wird, gibt es nicht.? Wunderbar! Verzichtet auf Statistiken und wir lösen viele Probleme. Man sollte die Energie lieber darauf verwenden, wie Hass vermindert werden kann, anstatt Zählungen zu veranstalten.

  • Es wird unbedingt Zeit, dass rassistische Straftaten besonders geahndet werden, ansonsten wird sich diese Unart noch weiter steigern.

    Andere Länder haben bereits einen Passus im Strafrecht, der Gewalttaten mit rassistischem Hintergrund nochmals schärfer bestraft als die Gewalttat aus anderen Gründen.

     

    Nur so ist es eventuell möglich den Rassisten dazu zubringen sich zweimal zu überlegen was er tut!

     

    Für jemanden, der keinerlei rassistischen Vorurteile hegt, ist es besonders schwer zu verstehen, dass in einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik keine genauen Statistiken über rassistische Straftaten gibt, denn wie will man angemessen reagieren, ohne genaue Zahlen vor Augen zu haben?

    In diesem Fall ist die Zahl eine wichtige -aussage zu dem verhalten jedes einzelnen in diesem Land.

     

    Auch ist es wichtig die Statistik so zu führen, dass jede Linke, Rechte, Islamistische und Rassistische Tat gesondert aufgelistet wird, um eine sehr gezielte Strategie gegen derartige Straftaten aufzustellen.

     

    Wer schon mal in einem anderen Land gelebt hat und am eigenen Leib erfahren hat was es heißt wegen seiner Herkunft diskriminiert zu werden, weiß wie wichtig eine Aufarbeitung für die Opfer ist!

     

    Es wird unbedingt Zeit, dass die Politik etwas gegen derartige Vorfälle unternimmt.

    Möglich ist das aber nur, wenn der Staat aufhört z.B. Jugendbetreuung auf kommunaler Ebene abzubauen und beginnt wieder Gelder für Fördervereine, Jugendhäuser und Gruppen auszugeben, in denen sich betreute Treffen abspielen können und zwar kulturell übergreifend.

     

    In der Gegend in der ich aufgewachsen bin gab es noch eine intakte Jugendgruppe, wodurch die damalige Jugend an andere Kulturen und Glaubensrichtungen herangeführt wurden um uns klar zu machen, dass es besser ist sich auszutauschen als anzupöbeln!!!

  • Die AfD wird überhaupt keine Lösungen bringen. Auch nach der Wahl laufen sie immer noch im Kreis mit ihrer hasspredigenden Politik. Jetzt wollen sie den Posten der Integrationsbeauftragten streichen.

  • "(...) rassistische Äußerungen mehrheitsfähig geworden (...)"

    Nun aber mal langsam mit den jungen Pferden! Es macht keinen Sinn wegen der unerfreulich hohen Wahlergebnisse der AfD gleich hysterisch durch zu drehen. Ganz im Gegenteil: je mehr die sind, desto nüchterner (im Doppelsinn!) sollten wir die Gegebenheiten betrachten und nicht gleich bei jeder Gelegenheit die hyperaktive 'Babbel' spazieren führen.

    Was ist Sache? Stehen wir vor einer faschistischen 'Machtergreifung' - oder hat es eine noch realtiv heterogene rechtsreaktionäre Sammlungsbewegung geschafft knapp 12,6 % der Wähler für sich zu gewinnen, die sich teils durchaus rassistisch äußert und auch benimmt?

    Sind also diese 12,6 % tatsächlich "mehrheitsfähig"?

    Einfachste Grundrechenkenntnisse sollte man schon auch beherrschen, wenn man publizistisch agiert.

  • "Erst wenn wir eine ehrliche Debatte über strukturellen Rassismus führen, macht das Erkennen auch einen Unterschied für die Betroffenen." Hasskriminalität gibt’s von rechts, von links, von islamistisch. Liebe taz, wer immer nur das Eine sieht mogelt sich um die ehrliche Debatte herum.

  • Dass Hasskriminalität, rassistisch motivierte Straftaten etc. geahndet werden müssen - keine Frage. Dass Rechtspopulismus weltweit irgendwie hip zu sein scheint ist so bekannt wie traurig. Und dass für unsägliche Äußerungen jeglicher Tendenz die Hemmschwellen immer niedriger werden halte ich in der Tat für ein ernsthaftes Problem (sowohl rechte Hetze im Netz wie sonstwo und überhaupt die sogenannten Shitstorms...).

    Dass aber mittlerweile "rassistische Äußerungen mehrheitsfähig geworden sind" hieße ja, dass mehr als die Hälfte der Menschen rassistische Tendenzen in der Denke haben - und das halte ich für übertrieben und möchte ich dann doch zumindest mal bezweifeln.

    • @HopeDrone:

      Also, wenn die AfD in manchen Gegenden schon die stärkste Partei ist, man noch ein paar Sympathisanten und Naivlinge draufrechnet, die das einfach lustig finden, sind wir da aber in einigen Gegenden schon nahe an einer Mehrheit dran. Nebenbei brechen ja damit auch Diejenigen weg, die sich solchen Äußerungen entgegenstellen. Das spielt in der Wahrnehmung der Betroffenen als auch der Meinungslosen ja auch eine beträchtliche Rolle.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @HopeDrone:

      ...doch, scheint so zu sein, wenn es selbst in meinem Bekanntenkreis Menschen gibt, die ernsthaft meinen, man/frau dürfe jetzt wieder 'Neger' sagen.