Rauswurf bei der AfD: Rechtspopulisten auf neuem Kurs
Die AfD schmeißt in Niedersachsen kurz vor der Landtagswahl ihre Spitzenkandidatin Dana Guth aus ihrer Fraktion.
Am Freitag war der Beschluss auf einer Fraktionssitzung gefallen, Guth „mit sofortiger Wirkung“ auszuschließen. Die Betroffene nahm an der Sitzung nicht teil. Einen „ungeheuerlichen Vorgang“ nennt Guth den Rauswurf, die auch Kreisvorsitzende in Göttingen ist. Die Vorhaltungen seien haltlos. Der Rauswurf sei ein Störfeuer vor der Wahl, meint sie.
„Sacharbeit“ nicht möglich
Doch warum dieser Angriff aus den eigenen Reihen? Das könne auch sie sich kaum erklären, so Guth. Mit viel Gegenwind hatte sie im Wahlkampf vor allem von den anderen Parteien gerechnet, nicht aber aus der eigenen Partei, der eigenen Kreistagsfraktion – trotz Missstimmungen. Die aber räumt sie ein, spricht von Differenzen in der Fraktion und sagt, eine „Sacharbeit“ sei mit dem Fraktionsvorsitzenden Rathmann nicht möglich.
Erst im August hatte Guth sich auf einer Landesmitgliederversammlung in Walsrode als Spitzenkandidatin durchsetzen können – gegen den Wunsch des Landesvorsitzenden Armin Paul Hampel, der bei der Bundestagswahl in den Bundestag gewählt wurde. Der Befürworter Hampels, Maik Schmitz, unterlag bei der Stichwahl mit 163 Stimmen, Guth erzielte 212 Stimmen.
Im Landesverband hatte sich die Kreisvorsitzende immer wieder als harte Kritikerin von Hampel profiliert. In einer internen E-Mail, die der taz vorliegt, hielt sie Hampel ein „vollständiges führungstechnisches Versagen“ vor und meinte: „Zur Durchsetzung Ihrer persönlichen Agenda sind Sie bereit, den Landesverband Niedersachsen oder auch einzelne Untergliederungen zu spalten.“
Sie warf Hampel auch vor, bei einer extrem rechten Vereinigung gesprochen zu haben, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Auch sie selbst aber schlägt im Wahlkampf harte Töne an: „Halal-Schlachten wird es mit mir nicht geben“ prangt auf ihrer Facebookseite.
„Der hat eine Macke“
Von Hampel erfährt sie jetzt jedoch keine Revanche, im Gegenteil. Bei Prognosen von sechs Prozent für die AfD in Niedersachsen hat wohl auch er andere Sorgen. So erklärte Hampel, dass der von Rathemann initiierte Rauswurf gar nicht ginge: „Der hat eine Macke“, so Hampel. Zehn Tage vor der Landtagswahl dürfe man seine Spitzenkandidatin nicht so beschädigen. Hampel versicherte: „Frau Guth bekommt jede Unterstützung. Das ist Parteiräson.“
Guth selbst kündigte an, Klage beim Göttinger Verwaltungsgericht einzureichen. Die Ladefrist zur Fraktionssitzung hätte weniger als 24 Stunden betragen und sie keine Gelegenheit gehabt, sich zu den Vorhaltungen zu äußern.
Partei hat weitere Sorgen
Dem Landesverband kommt knapp vor der Landtagswahl aber nicht bloß dieser Konflikt ungelegen. Am Sonntag erklärte der ehemalige Chef der AfD Ostfriesland, Holger Pieters, aus der Partei ausgetreten zu sein – wegen des anhaltenden Rechtstrends der Partei. Mit sofortiger Wirkung will er nun als fraktionsloses Mitglied im Leeraner Kreistag arbeiten.
Für ihn gab es nach reiflicher Überlegung nur noch den „Weg raus aus dieser ‚entarteten‘, nationalistischen AfD“. Und er betont: „Gaulands rechtsnationale Ausfälle, Björn Höckes extrem völkische Umerziehungspolitik“, all das sei „ein absolutes No-Go“.
Der Landesvorsitzende Hampel sei für ihn indes längst ein „politisch, moralisch abgewirtschafteter AfD-Politiker“. Aus Protest gegen die Landesführung hatte Pieters bereits im Januar sein Amt als Ostfriesland-Vorsitzender niedergelegt.
Doch auch der Spitzenkandidatin Guth macht Pieters Vorhaltungen. Er bezieht sich unter anderem auf einen Facebook-Eintrag der AfD Salzgitter nach der Bundestagswahl, in dem von der „nächsten Phase im Krieg gegen dieses widerwärtigste System“ die Rede ist. Dieses Gedankengut werde „in der AfD Niedersachsen unter Paul Hampel und der AfD-Spitzenkandidatin zur Landtagswahl, Dana Guth, vorsätzlich augenzwinkernd in Kauf genommen“, erklärte Pieters. „Entscheidend für mich ist, war und bleibt der Weg der AfD Niedersachsen unter Paul Hampel in die rechte extreme Szene“, sagt er. Die politischen Grenzüberschreitungen seien in der AfD seit dem letzten Bundesparteitag längst die Norm, sagte Pieters der taz.
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