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Enttäuschte ins Parlament

Bürgerschaft Nach der Bundestagswahl kommen neue Gesichter und ein ganz altes ins Parlament. Bei der FDP droht eine Kampfkandidatur um die Nachfolge von Katja Suding

von Sven-Michael Veit

Ein ganz alter Bekannter kommt in der Hamburger Bürgerschaft zu neuen Ehren. Peter Lorkowski, 75-jähriger Inhaber einer Bauschlosserei in Harburg, rückt für die AfD ins Parlament nach für den Partei- und Fraktionschef Bernd Baumann, der in den Bundestag wechseln wird. Lorkowski, der sich selbst einen der „schwer Enttäuschten“ nennt, saß bereits von 2001 bis 2004 für die Schill-Partei in der Bürgerschaft, ohne groß in Erscheinung zu treten. Zurzeit ist er noch AfD-Bezirksabgeordneter in Harburg.

„Mir kann keiner vorwerfen, dass ich zu liberal bin“

Alexander Wolf, AfD

Geklärt ist bei der AfD bereits die Neubesetzung der Fraktionsspitze. Bislang bildete Baumann ein Duo zusammen mit dem als liberal geltenden emeritierten Wirtschaftsprofessor Jörn Kruse, dieser bekam am Dienstag erneut einen Aufpasser vom rechten Rand zur Seite gestellt: Der Rechtsanwalt Alexander Wolf, Alter Herr einer schlagenden Verbindung, ist ab sofort gleichberechtigter Fraktionsvorsitzender. Seine Bewerbungsrede auf einem Parteitag im März um den – letztlich vergeblichen – zweiten Platz auf der Bundestagsliste gipfelte in dem Satz: „Mir kann keiner vorwerfen, dass ich zu liberal bin.“

Offen ist die Frage der Fraktionsführung hingegen noch bei der FDP. Die Chefliberale Katja Suding wechselt in den Bundestag und im Falle einer Jamaika-Koalition mit großer Wahrscheinlichkeit auch gleich ins Bundeskabinett; mit ihr geht Ex-Parteichef Wieland Schinnenburg, weil die FDP in Hamburg überraschend – wie zuletzt 2009 – zwei Mandate errang. Nachrücker sind Christel Nicolaysen aus Blankenese und Ewald Aukes aus Mitte.

Um die Fraktionsführung rangeln derweil Sudings bisherige Stellvertreterin Anna von Treuenfels-Frowein und der Parlamentarische Geschäftsführer Michael Kruse. Das Rennen ist offen, in der jetzigen Fraktion wird von einem Patt gemunkelt. Da dürften die beiden Neuen die Zünglein an der Waage sein. Nach Aussage von Fraktionssprecher Dominik Ohlig soll die Kür aber erst Ende Oktober erfolgen, nachdem Suding und Schinnenburg ihre Hamburger Mandate niedergelegt haben.

Für Die Linke wird die Rechtsanwältin Carola Ensslen ins Parlament aufrücken. Sie ersetzt die in den Bundestag wechselnde Parteichefin Zaklin Nastic, die erst im Sommer den Abgeordnetenplatz der „Hartz-IV-Rebellin“ Inge Hannemann eingenommen hatte. Diese hatte wegen einer schweren Erkrankung ihr Mandat niedergelegt.

Die 56-jährige Ensslen war langjähriges SPD-Mitglied und zuletzt Vorsitzende des SPD-Distrikts Eimsbüttel-Nord. 2014 war sie zur Linken gewechselt, weil diese „den Idealen eines demokratischen Sozialismus inzwischen weit mehr verpflichtet ist als die SPD“, so Ensslen damals in einem taz-Interview. Auch sie ist eine Enttäuschte – vom autoritären Stil von Parteichef und Bürgermeister Olaf Scholz: „Die Partei macht, was die Bürgerschaftsfraktion vertritt, die folgt dem Senat und der folgt Scholz. Innerparteilicher Widerspruch ist verpönt“, so Ensslen. Künftig kann sie Scholz direkt Contra geben – als Abgeordnete der Opposition.

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