piwik no script img

kommentar von Simone Schmollackzum neuen Wahlkampfthema ScheidungsväterDer Realität gerecht werden

„Schlichten statt streiten“ – das klingt gut, ist aber schwer umzusetzen

Die Familienministerin will getrennte Elternteile steuerrechtlich besserstellen. Das könnte Konflikten vorbeugen und die Belastung der Kinder verringern.

Katarina Barley (SPD) weiß, wovon sie spricht. Die Familienministerin ist geschieden, die beiden Söhne pendeln zwischen Mutter und Vater.

Herrscht zwischen den getrennten Eltern Frieden, muss das für alle Beteiligten kein Stress sein. Im Idealfall können Kinder dadurch sogar gewinnen. Aus der Trennungsforschung ist bekannt, dass Kinder stärker darunter leiden, mit sich hassenden Eltern aufzuwachsen, als wenn die sich trennen.

Diesen Realitäten versucht Barley, die nach der Wahl Familienministerin bleiben möchte, gerecht zu werden. Sie will Müttern helfen und Väter nicht benachteiligen. Oder andersherum – je nach Sichtweise.

Die Idee, getrennte Mütter und Väter steuerrechtlich zu entlasten, ist gut. So würde beiden Eltern geholfen. Bisher profitiert nur der Elternteil, bei dem die Kinder hauptsächlich leben. Fair ist auch der Vorschlag, Hartz-IV-Empfängern einen „Erziehungsmehrbedarf“ zu zahlen, der nicht auf die Sozialleistung angerechnet wird.

Komplizierter wird es aber bei Ideen wie einer verordneten Mediation für sich trennende Eltern sowie dem paritätischen Wechselmodell. Hier steckt der Teufel im Detail. Seit 1992 stellt man nach dem „Cochemer Modell“ streitenden Eltern eine unbeteiligte dritte Person zur Seite. „Schlichten statt streiten“ – klingt gut, ist aber schwer umzusetzen. Mitunter streiten verfeindete Expartner, bis die Kinder groß sind. Davon profitiert am Ende niemand.

Ähnlich beim Wechselmodell: Ein gleichberechtigter Umgang funktioniert nur, wenn sich die getrennten Eltern verstehen. Wenn nicht, wird der Kampf über das „Recht am Kind“ ausgetragen. Dahinter steckt oft auch ein fiskalischer Gedanke: Solange die Kinder zu 51 Prozent von einem Elternteil betreut werden, muss die andere Seite vollen Unterhalt zahlen. Ungerecht für die „Zahlväter“? Oder auch für Teilzeit arbeitende Mütter?

Das Thema ist komplex und emotional aufgeladen. Barley zeigt Mut, sich auf dieses verminte Feld zu wagen. Wer aber sonst sollte das tun, wenn nicht die Familienministerin?

taz.wahl17 Seite

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen