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taz-Serie Angezapft (4): Bei SchlawinchenEs ist Wahl und keiner geht hin

Eigentlich wird selbst in der letzten Kneipenecke noch über die Wahl am 24. September diskutiert. Aber nicht überall. Auf Recherche in Kreuzkölln.

Politik ist vielen am Tresen egal Foto: dpa

„Wat für ’ne Wahl?“, sagt der ältere Typ mit den abrasierten Haaren, der mit seinen Kumpels am Tisch in der Ecke sitzt. Mit glasigem Blick schielt er über sein Bierglas. „Bundestagswahl?“ „Politik is nur die Fortführung von Krieg mit anderen Mitteln“, wirft sein Nachbar ein. „Nee, umgekehrt“, sagt die Glatze. „Nee, meen ick schon so.“

Die Kultkneipe Bei Schlawinchen in der Schönleinstraße ist auch am Sonntagabend gut gefüllt. Wer hier landet, kommt so schnell nicht wieder raus. Vierundzwanzig Stunden hat das „Schlawi“ geöffnet und lockt mit Preisen, die den Liebhabern des Suffs einen langen Aufenthalt erlauben.

Der Typ mit der Glatze und seine Freunde gehören zur Kategorie der hier versackten Alteingesessenen. Am Sonntagabend tummeln sich jedoch hauptsächlich Touristen unter den Schaukelpferden, die von der Decke baumeln. Für die Wahlen haben die meisten nur ein Schulterzucken übrig. „But we love Berlin, yeah“, sagt ein Typ aus Amerika. Die spanischsprachigen Tischnachbarn winken ab: „No German.“

Die Glatze hebt unterdessen langsam ihren glasigen Blick und klinkt sich wieder in das Gespräch ein. „Ehrlich jetzt, wer wird gewählt?“ Sein zotteliger Nachbar rollt die Augen. „Jetzt tu doch nicht doofer, als de bist.“ Politik interessiere sie hier nicht und eh sei man gerade nicht mehr in der Lage … Man verweist auf die bereits in der Kneipe verbrachte Zeit. „Dit is ja keene politische Kneipe“, sagt der Zottelige. Er überlegt kurz und sagt dann: „Na, ick bin am Kotti groß jeworden. Wat soll ick sagen? Grün halt.“

Ich bin ein politischer Mensch, lebe hier, arbeite, aber von den Wahlen werde ich ausgeschlossen.

Einen Kilometer entfernt, in der linken Kneipe Tristeza, interessiert Politik schon. Aber nur wenige Gäste an diesem Abend gehen wählen. Eine Irin trinkt vor der Kneipe ein Bier. Seit dreizehn Jahren lebt sie in Deutschland, wählen darf sie nicht. „Das ärgert mich sehr“, sagt sie. „Ich bin ein politischer Mensch, lebe hier, arbeite, aber von den Wahlen werde ich ausgeschlossen.“

Drinnen ist es leer. Die Frauen hinter der Bar sind im Gegensatz zu ihren Gästen wahlberechtigt. Die eine hat bereits per Briefwahl ihre Stimme abgegeben. „Stimme abgeben“, sagt die andere, „das sagt schon alles.“

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