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Im Club der Gläubiger

Demokratisierung Die Bewegung DiEM25 von Yanis Varoufakis setzt auf die EU – kritisiert aber vor allem Deutschland und dessen Austeritätspolitik

BRÜSSEL taz | Undemokratisch und abgehoben. So lautet die harte Diagnose von DiEM25, der Demokratiebewegung von Yanis Varoufakis, zur Lage der EU. Wenige Tage vor der Rede von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat der frühere griechische Finanzminister in Brüssel seine eigene Show abgezogen.

„The Real State of the Union“ hieß das Thema des Abends im Kulturzentrum Bozar. Neben Varoufakis traten auch der ehemalige Kommissionsberater Phi­lippe Legrain und Jeffrey Sachs auf, ein Ökonom und Vertrauter des amerikanischen Politikers Bernie Sanders. An Juncker ließen sie kein gutes Haar – doch für die EU haben sie noch Hoffnung.

„Wir brauchen Europa mehr denn je“, beschwor Sachs die überwiegend jungen Zuhörer. US-Präsident Donald Trump sei eine Gefahr für den Weltfrieden und das Klima. Die EU müsse dagegenhalten und zum Beispiel das Klimaabkommen von Paris verteidigen. Auch bei der nachhaltigen Entwicklung werde Europa mehr denn je gebraucht, so Sachs.

Doch für die europäische Wirtschaftspolitik sieht es nicht gut aus. Während Juncker den Aufschwung in der Eurozone lobte und von neuen Jobs schwärmt, zog Legrain eine vernichtende Bilanz. „Ein verlorenes Jahrzehnt“ liege hinter den Europäern, so der Brite, der an der London School of Economics lehrt.

Die Schuld gibt Legrain vor allem Deutschland, das die Eurozone wie einen Gläubigerclub führe und mit seiner Austeritätspolitik das Leiden der Schuldner in Südeuropa unnötig verlängert habe. Die Eurokrise sei zwar einigermaßen überstanden. Doch Deutschland und die EU hätten „politisches Kapital verspielt“.

Legrain spielt damit auf Nationalisten, Populisten und EU-Gegner an, die mittlerweile auch in Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden Zulauf bekommen. Zwar konnten Geert Wilders und Marine Le Pen bei den Wahlen in Den Haag und Paris vorläufig gestoppt werden. Ihr Aufstieg sei jedoch eine Folge einer verfehlten EU-Politik, meint DiEM25-Gründer Varoufakis.

Der „alternativlosen“ Linie von Juncker und Bundeskanzlerin Angela Merkel hält Varou­fakis die Forderung nach einer Neugründung der Europäischen Union entgegen. Eine „demokratische europäische Föderation“ ist sein Ziel. Um das zu erreichen, soll DiEM25 auch bei der nächsten Europawahl 2019 antreten.

Während Juncker geht – er will bei der Wahl nicht mehr antreten –, läuft sich Varoufakis für sein nächstes politisches Abenteuer warm. Hoffentlich geht es nicht so gründlich schief wie sein kurzes Gastspiel als Finanzminister in Griechenland.

Eric Bonse

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