: Kluges Kind dank Kitaplatz
Bildung Der aktuelle OECD-Bericht zeigt: Frühkindliche Bildung ist in Deutschland überdurchschnittlich gut geworden. Sie ist wichtig für den späteren Ausbildungsweg
Aus Berlin Anna Lehmann
Um seinen Ruf als Land der Ingenieure muss sich Deutschland keine Sorgen machen: Unter den 25- bis 64-Jährigen mit Meister- oder Hochschulabschluss hat jeder Dritte diesen im mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereich (MINT) erworben. Damit ist Deutschland Spitzenreiter unter den 35 OECD-Ländern. Das zeigt der jährliche Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der am Dienstag in Berlin vorgestellte wurde.
Auch bei den Studienanfängern im MINT-Bereich liegt Deutschland mit 40 Prozent auf Platz eins. Allerdings ist nur ein Viertel davon weiblich. „Wir müssen in diesem Bereich Frauen besonders fördern“, kommentierte das Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Zugleich betonte sie die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung.
Das stimmt, wenn man sich die Beschäftigungschancen anschaut – fast 90 Prozent der jungen Erwachsenen haben Arbeit, egal ob sie Uni oder Lehre absolviert haben. Doch verdienen Menschen, die eine Hochschule besucht oder einen Meisterkurs absolviert haben, in Deutschland durchschnittlich 66 Prozent mehr Geld als die mit einfachem Berufsabschluss. Und sie haben eine fünfmal bessere Chance, mit einem Jahreseinkommen von über 60.000 Euro zu den Spitzenverdienern zu zählen. „Unter diesem Gesichtspunkt von Akademisierungswahn zu sprechen erscheint uns abwegig“, kommentierte das Heino von Meyer, Leiter des OECD Berlin Centre.
Ob man sich zu Studium oder Meisterprüfung entschließt, ist stark von der Herkunft abhängig. Von den 30- bis Mitte 40-Jährigen, deren Eltern keinen so genannten tertiären Bildungsabschluss haben, sind 14 Prozent Meister oder Akademiker – 40 Prozent beträgt der Anteil unter jenen, bei denen Mutter oder Vater studiert haben.
Meyers Fazit: Wenn Deutschland weiter die Nase vorn haben wolle, bedürfe es größerer Anstrengungen. Damit spielte er auf die Bildungsausgaben an. Gemessen an seiner Wirtschaftskraft investiert Deutschland unterdurchschnittlich in Kitas, Schulen und Unis. Um auf das OECD-Mittelmaß von 5,2 Prozent des BIP zu kommen, müssten in Deutschland 30 Milliarden Euro mehr fließen.
„Es ist höchste Zeit für eine nationale Kraftanstrengung“, kommentierte der Deutsche Gewerkschaftsbund den Bildungsbericht und und regte an, das Kooperationsverbot, das den Ländern die Hoheit über die Schulen gewährt, abzuschaffen. Ländervertreter sehen das anders: „Am Kooperationsverbot halten wir definitiv fest“, referierte die amtierende Präsidentin der Kultusministerkonferenz Susanne Eisenmann (CDU) die Haltung Baden-Württembergs.
Dass man zusammen etwas bewegen kann, zeigt ein weiterer Aspekt im OECD-Bericht: Die Beteiligung an frühkindlicher Bildung, für spätere Bildungsergebnisse wichtig, ist in Deutschland überdurchschnittlich. Nahezu alle 3- bis 5-jährigen Kinder besuchen eine Kita. Der Bund hat mit dem Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz die juristische Grundlage gelegt und unterstützt Länder und Kommunen mit Milliardenbeträgen beim Kitaausbau.
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