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Demo gegen das ClubsterbenWider die nörgelnden Nachbarn

Hunderte tanzten sich am Samstag durch Mitte und Kreuzberg. Die Botschaft: Der Stadt fehlt es an Freiräumen für Clubkultur.

Yeah! Die Tanz-Demo tänzelt durch Mitte Foto: Karsten Thielker

Manchmal braucht es Freunde, Schnaps und ein bisschen Wut, um zum Aktivisten zu werden. An einem Tag im Frühling traf diese Mischung auf Maximilian Schirmer und eine Gruppe von DJs, Technikern und Veranstaltern aus der Berliner Clubszene zu. Geeint von der Angst, weitere Räume für kulturelle Einrichtungen an private Investoren zu verlieren, gründeten sie das Kollektiv Kirsch und mit ihm die Idee zur Tanzdemo „Wem gehört die Stadt“, die nun Samstagnachmittag durch Berlin gezogen ist.

Auf vier Wagen beschallen DJs schrullige Partygänger, Turnbeutelträger und Glitterliebhaber mit tiefen Bässen. Knapp 400 Teilnehmer zählt die Polizei zu Beginn, doch während der Parade schlossen sich immer mehr Menschen an. Das Kollektiv Kirsch will Party mit Politik verbinden. Viele Veranstaltungen seien zur inhaltsleeren Feierei verkommen, kritisiert Schirmer. Dabei sei alles politisch. „Wer darf wo wie lange tanzen und für wie viel Geld? Das ist Politik und daher müssen wir uns einbringen.“ Die Teilnehmer kombinieren daher das obligatorische Bier in der Hand mit Forderungen wie „Bass statt Hass“ oder „Drogenpolitik mit Substanz“.

Vor der Volksbühne kommt die Parade zum Stehen. Während Schauspieler Joseph Konrad Bundschuh auf den ersten Wagen klettert, um eine Rede zu halten, nutzt das Feiervolk die Unterbrechungen für einen Abstecher zum nächsten Späti. „Cheers auf gemeinsame Entfaltung!“, ruft Bundschuh und kritisiert im Folgenden die „allgemein total beschissene Situation“ am Theater. Er beklagt, was viele Redner vor und nach ihm beklagen: Private Investoren, die Flächen für kulturelle Einrichtungen verdrängten, unsichere Arbeitsverhältnisse unter denen freie Entfaltung nicht möglich sei, zu wenig Anerkennung seitens der Politik.

Es sind Probleme, die Clubs und Kneipen in Berlin gleichermaßen betreffen. Von einem Clubsterben ist seit Jahren die Rede. Die Gründe sind ähnlich: Baurechtliche Auflagen und Genehmigungen oder aber Nachbarn, die ihre Nachtruhe einfordern. In anderen Fällen ist es schlicht eine Geldfrage. Kaum ein Club hat die finanziellen Kapazitäten, sich gegen private Investoren behaupten zu können.

Berlin geht auf die Straße

Es war ein Wochenende der Demos, eine Auswahl:

Mietenprotest Am Samstag demonstrierten linke Initiativen und von Räumung bedrohte Hausprojekte wie die Friedel54 in Neukölln unter dem Motto „Wem gehört die Stadt?“ auf dem Kreuzberger Oranienplatz.

Rechter Aufmarsch Unter dem Motto „Merkel muss weg“ liefen 250 Rechte durchs Regierungsviertel. Erwartet worden waren 500. Etwa hundert Menschen protestierten gegen den Aufmarsch.

Anti-Video Mit einem „Fest der Grundrechte“ demonstrierten am Samstag auf dem Gendarmenmarkt NGOs gegen staatliche Überwachung. (taz, dpa)

„Techno ist wichtig“

Die Liste der geschlossenen Einrichtungen ist entsprechend lang. Letztes Opfer: der Technoclub Jonny Knüppel. Lorenz Bethmann, einer seiner Mitbegründer, ist am Samstag ebenfalls gekommen. Auch ihm fehlt vor allem die Anerkennung seitens der Politik. „Techno ist wichtig, gerade in Berlin. Er hat ganz klar seine Daseinsberechtigung“, sagt er. Die Kulturlandschaft Berlins müsse geschützt werden und nicht der Kommerzialisierung und Profit geopfert werden.

Der Zug setzt sich wieder in Bewegung. Weiter hinten hat man von der Rede nichts gehört. Die lauten Bässe übertönen alles und so schieben Paula Alves und Yasmin Afshar, zwei junge Frauen aus Brasilien, sichtlich verwirrt ihre Fahrräder. Spontan hatten sie sich angeschlossen. „Wir waren zu spät für die andere Demonstration und sind dann hierher. Wir dachten, die gehören zusammen“, sagte Alves. Tatsächlich ist es reiner Zufall, dass es an diesem Tag zwei Demonstrationen unter dem „Wem gehört die Stadt“ stattfinden (siehe Kasten). „Als wir gemerkt haben, dass es noch eine zweite Demo gibt, war es bereits zu spät die beiden Veranstaltungen zu verbinden“, sagt Organisator Schirmer.

Nach über vier Stunden erreicht die Parade im Schein der letzten Sonnenstrahlen den Moritzplatz. Rauch aus Nebelmaschinen steigt zwischen den Häuserfassaden auf. Die Menschen fluten den Kreisel und die umliegenden Spätis – ein Bier geht noch.

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