heute in hamburg
: „Nur das kleinere Übel“

Parteilos Wieso der Wahlkampf bisher gar kein richtiger Kampf ist, darüber wird heute diskutiert

Marco Scheffler

Foto: Justus Niemeyer

49, engagiert sich parteilos vor allem in Eimsbüttel und trat 2009 das erste Mal bei der Bundestagswahl an.

taz: Herr Scheffler, die heiße Phase des Wahlkampfs hat begonnen, die TV-Duelle sind vorüber. Wie nehmen Sie den Wahlkampf bisher wahr?

Marco Scheffler: Ich habe mir natürlich die TV-Duelle angeschaut, aber nichts Neues erfahren. Man kann schwerlich von einem Wahlkampf reden, denn gekämpft hat da niemand. Die Kandidaten haben nur wenig Inhaltliches wiedergegeben und im Grunde weiß man doch schon im Vorhinein, wie die Bundestagswahl ausgehen wird.

Sie sind aus Überzeugung parteilos. Welchen Nachteil sehen sie denn im Parteiensystem?

Ich habe kein Problem mit dem demokratischen Parteien- und Wahlsystem als solchem. Ich kandidiere ja für den Bundestag. Es ist eher die Art und Weise, wie Entscheidungen innerhalb der Parteien getroffen werden: Wenn ich mich hier in Eimsbüttel beispielsweise einer Ortspartei anschließe, kann ich zwar an den Treffen teilnehmen und meine Meinung kundtun, aber meine politische Stimme bleibt weitgehend ungehört. Die Entscheidungen über die Richtung einer Partei werden nicht auf Parteibasis entschieden, sondern in Berlin.

Sollte man sich also besser nicht mehr in Parteien engagieren, sondern als Parteiloser, so wie Sie es tun?

Von mir aus können sich die Leute weiterhin in Parteien organisieren. Überhaupt ist es ja wichtig, sich mit anderen zusammenzutun, wenn man etwas erreichen möchte. Aber dann sollten Parteien nicht von oben nach unten entscheiden, sondern von unten nach oben. Alles andere entspricht nicht meinem Verständnis einer demokratischen Wahl.

Geht es um das Thema Wahlbeteiligung, sprechen Sie nicht von Politikverdrossenheit, sondern von Parteiverdrossenheit. Was meinen Sie damit?

Nun, ich bin Barbesitzer und unterhalte mich dort oft mit den Leuten über politische Themen. Ich merke, dass die Leute sehr wohl politisch interessiert sind, schließlich sind sie ja auch alle irgendwie betroffen, egal, ob es um Kita, Schule oder die eigene Arbeit geht. Politikverdrossenheit kann also gar kein Thema sein. Es ist eher die fehlende Unterstützung der Parteien: Entscheidungen werden dort über die Leute hinweg getroffen. Und bei den Wahlen fragt man sich dann natürlich, wen man noch wählen kann, wenn es nur um das kleinere Übel geht.

Interview Leon Kirschgens

Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl mit Marco Scheffler und Vertretern anderer Parteien: 19 Uhr, Hamburg-Haus Eimsbüttel, Doormannsweg 12