Journalisten in Haft: Einfach mal das Gegenteil tun
Vor sechs Monaten begab sich Deniz Yücel freiwillig zur Polizei. Seither sitzt er im Gefängnis. Die Bundesregierung muss handeln. Vielleicht mit neuen Strategien.
Seit sechs Monaten kann Deniz Yücel nicht mehr selbst entscheiden, wo er hingeht, wen er trifft, ob er arbeitet, Urlaub oder blau macht, ob er ein Interview führt oder lieber einen trinken geht. Seit sechs Monaten ist Deniz eingesperrt.
Die Vorwürfe gegen ihn sind dieselben absurden Vorwürfe wie gegen hunderte andere Journalisten und tausende andere in der Türkei: Terrorismus, Terrorpropaganda, Volksverhetzung, … Man braucht nur eine Chat-App auf dem Mobiltelefon installiert zu haben und schon wird man verdächtigt, Teil einer terroristischen Verschwörung gegen die Regierung zu sein.
Die Bundesregierung ist im Stress. Außenminister Gabriel will nicht, dass „die Konflikte immer schärfer werden“, ließ er letzte Woche wissen. Das könne dazu führen, dass deutsche Staatsbürger noch länger im Gefängnis sitzen bleiben.
Das ist vielleicht richtig. Vielleicht aber auch nicht. Wir haben schließlich gesehen, wie hektisch die türkische Regierung darum bemüht war, die deutschen Unternehmen zu beruhigen, als Gabriel mit ernsthaften wirtschaftlichen Einschränkungen drohte.
seit 2008 Redakteurin der taz, seit 2012 taz.am Wochenende, davor Redakteurin bei „Jungle World“ und „Sport-BZ“.
Niemand fordert eine Abkehr von der Türkei
Es blieb bei der Drohung. Die bisherige Zurückhaltung in Wirtschaftsfragen aber hat nicht deeskalieren können: Nach der Inhaftierung des deutschen Staatsbürgers Deniz Yücel sind weitere Deutsche festgenommen worden, von denen wir zwei mit Namen kennen: die Journalistin Meşale Tolu und der Menschenrechtler Peter Steudtner. Die Berichte über deutsche und andere EU-Staatsbürger, die an der Einreise in die Türkei gehindert, von dort abgeschoben, dort festgehalten oder in irgendeine Zelle gesperrt werden, häufen sich immer mehr.
Der Außenminister hat wiederholt von sich gewiesen, dass ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit der Türkei, der Austritt des Landes aus der Nato, das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen eine gute Idee sei. Aber wer hat das überhaupt gefordert?
Niemand, der bei Trost ist, denn man könnte dem amtierenden Präsidenten der Türkei kein größeres Wahlgeschenk machen als ihn weiter vom Westen zu isolieren. Und man könnte es den türkischen Bürgern kaum schwerer machen, sich weiter für Demokratie zu engagieren als ihnen die Tür vor der Nase zuzuschlagen.
Vielleicht ist es die bessere Idee, einfach das Gegenteil zu tun. Man könnte der Türkei neben den schon bestehenden vereinfachten Reisebedingungen von Waren auch den Menschen erlauben, einfacher in die EU zu reisen. Wenn die EU die türkischen Staatsbürger mit offenen Armen willkommen heißt, könnte es dazu führen, dass Erdoğan die Argumente ausgehen. Vielleicht
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