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Jobs, Jobs, Jobs

Bilanz Was hat Nafta seinen Vertragsstaaten gebracht? Und wieso soll es jetzt verändert werden? Ausgangslagen und Zielvorstellungen

BERLIN taz | Die Analyse des amerikanischen Präsidenten ist deutlich: „Viele Amerikaner arbeiten heute härter, für weniger Geld“, sagt das Staatsoberhaupt im Weißen Haus. Die Mittelschicht stünde unter ernstem Stress, wegen neuer Technologien und internationaler Konkurrenz.

Die Worte stammten von Expräsident Bill Clinton, als er am 14. September 1993 versprach, das fertige Nafta-Freihandelsabkommen mit Mexiko und Kanada durch den US-Kongress zu kämpfen. Clinton ging es um Jobs, ebenso wie Donald Trump heute. „Nafta bedeutet Jobs, amerikanische Jobs und gut bezahlte amerikanische Jobs“, sagte Clinton 1993. „Nafta ist ein schrecklich einseitiger Deal, der uns Millionen um Millionen an Jobs kostet“, sagt Trump heute. Wer hat nun recht?

Im Prinzip keiner. Das Freihandelsabkommen Nafta trat 1994 zwischen Mexiko, Kanada und den USA in Kraft. Eine aktuelle Auswertung mehrerer Studien kommt zu dem Schluss, das Abkommen habe „zu einem substanziellen Anstieg des Handelsvolumens aller drei Länder geführt, zu einem geringen Anstieg des Wohlstands in den USA und unterm Strich zu einer geringen oder zu keiner Änderung bei den US-Arbeitsmarktzahlen.“

Vieles deutet aber darauf hin, dass Nafta zu einer ungerechteren Einkommensverteilung beigetragen hat. So schrieb der wissenschaftliche Dienst des US-Kongresses im Mai dieses Jahres, dass die US-Autoindustrie ihre Lieferketten so umgebaut habe, dass sie möglichst effizient produziert, sprich: billig. Was wiederum auch Druck auf die Arbeitslöhne in den USA erzeugt hat.

Ähnliche Ergebnisse sind auch in Mexiko zu beobachten. So hat das Washingtoner Center for Economic and Policy Research festgestellt: Seit 1994 ist die Wirtschaft Mexikos langsamer gewachsen als die vieler anderer Staaten in Lateinamerika. 2014 lebten 20 Millionen mehr Menschen unter der Armutsgrenze als zehn Jahre zuvor. Deutlich mehr Menschen versuchen deshalb, in die USA auszuwandern.

Der US-Handelsbeauftragte hat im Juli auf 17 Seiten aufgelistet, was die Verhandlungen bringen sollen. Vieles sind Allgemeinplätze – und nicht alle schlecht. So sollen Nafta-Länder, gemeint ist Mexiko, Regeln einführen, damit das Land seine eigenen Umweltauflagen und Arbeitsrechte nicht verletzt. Gleichzeitig soll etwa die US-Agrarindustrie noch bessere Marktzugänge nach Mexiko bekommen – was dem Land alle Möglichkeiten nimmt, eigene Regeln gegen Genfood oder für lokale Produkte einzuführen.

In den Vereinigten Staaten selbst sind sich die Industrieverbände uneins: Nafta schützt bereits heute die US-Industrie. So müssen Autos zu 62,5 Prozent aus US-amerikanischer Produktion stammen, um zollfrei in die USA eingeführt werden zu können. Die US-Stahlproduzenten wollen den Wert erhöhen, um ihre heimischen Werke gegen chinesische und europäische Konkurrenz zu schützen. Die Autobauer wollen sie senken, um noch mehr Teile billig in Mexiko fertigen lassen zu können. Ingo Arzt

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