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Kollabierter BundeswehrrekrutMarschieren mit chemischer Hilfe

Der bei einem Marsch gestorbene Soldat hatte womöglich Aufputschmittel genommen. Der Missbrauch solcher Mittel bei der Bundeswehr ist bereits länger bekannt.

Neben erlaubten Sinnesschärfern kommen gelegentlich auch verbotene zum Einsatz Foto: dpa

Frankfurt/Main afp | Im Fall eines nach einem Übungsmarsch gestorbenen Bundeswehrsoldaten könnten einem Pressebericht zufolge Aufputschmittel eine Rolle gespielt haben. Einer der Soldaten, die am 19. Juli bei einer Übung im niedersächsischen Munster kollabiert waren, habe in einer internen Untersuchung ausgesagt, gemeinsam mit einigen Kameraden vor dem Marsch Aufputschmittel genommen zu haben, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung am Montag. Die Bundeswehr wollte dies gegenüber der Zeitung weder bestätigen noch dementieren.

Bei der Übung in Munster waren im Juli insgesamt vier Offiziersanwärter kollabiert. Einer der Soldaten starb zehn Tage später in einem Krankenhaus, ein weiterer befindet sich dem Bericht zufolge noch immer in lebensbedrohlichem Zustand.

Der Missbrauch leistungssteigernder Mittel sei in der Bundeswehr bereits seit längerem als Problem bekannt, berichtete die Zeitung unter Berufung auf einen Ausbilder. Dieser habe angegeben, dass in seiner Einheit schon seit mehr als einem Jahr versucht werde, den Missbrauch von Aufputschmitteln durch gezielte Maßnahmen zu verhindern. Andere Ausbilder gaben demnach an, sie würden gar nicht so genau wissen wollen, was sich ihre Untergebenen „einwerfen“.

Ein Bundeswehrarzt wies in der FAZ auf einen möglichen Zusammenhang zwischen dem zunehmenden Missbrauch leistungssteigernder Mittel und der grundsätzlich abnehmenden körperlichen Leistungsfähigkeit der Soldaten hin. Um bei wichtigen Prüfungen fit zu sein, werde dann künstlich nachgeholfen, sagte der Arzt der Zeitung.

Da es der Bundeswehr seit der Abschaffung der Wehrpflicht immer schwerer fällt, genügend Rekruten zu gewinnen, werden die Leistungsanforderungen für die Tauglichkeitsprüfung dem Bericht zufolge immer weiter gesenkt. Dennoch sei das Personalsoll der Truppe von 170.000 Zeit- und Berufssoldaten im Juni dieses Jahres um gut 1500 Männer und Frauen verfehlt worden.

Der Chef einer Panzergrenadierkompanie sagte der Zeitung: „Es fällt uns immer schwerer, genügend Rekruten zu finden, die in der Lage sind, den Belastungen eines Einsatzes standzuhalten.“

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5 Kommentare

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  • Auch wenn man Drogen einwirft, ist der Körper bei grösserer Hitze !!!in Uniform!!! und nicht "Badehose und Sonnekäppi" überfordert, wenn man nicht genug zu trinken bekommt.

    Wobei schon klar, ist, dass man in einem echten Einsatz auch nicht "Trinkpause" ausrufen kann und alle halten inne.

    Ist halt nen sch...Job, kein Wunder, dass der Nachwuchs fehlt. Vielleicht werden die Leute auch im Schnitt einfach intelligenter oder gebildeter und sehen die Hintergründe kritischer.

  • Und wieder wird die Schuld dem Einzelnen zugeschoben.

     

    Wie kommt ein Rekrut auf die Idee, sich "go pills" einzuwerfen, um die Grundausbildung zu überstehen? Das sollte sich die BW mal fragen.

     

    Außerdem schließt das nicht aus, daß die Marschbedingungen übermäßig hart waren. Aber man wird diesen Fall, und andere, in der Schublade verschwinden lassen.

     

    Die BW hat ein Riesenproblem.

    • @kditd:

      Wie kommen Sie den auf die Idee, dass es sich um "go pills" handelt? Wissen Sie mehr?

       

      Von Aufputschmitteln ist die Rede. Red Bull & Co. Die sind total verbreitet. An den Oberschulen sind sie vor Prüfungen total verbreitet.

       

      Im letzten Jahr haben meine Töchter an einer Jugendfahrt teilgenommen. Der Betreuer verbot explizit Energy Drinks. Er erzählte, er habe zwei Jahre zuvor einen Jungen beigehabt, der reichlich Energy Drinks trank. Nach 2 Tagen hatte er einen Kreislaufzusammenbruch mit Krämpfen. Der Junge war 13.

       

      Ich erkenne nicht , wo die Bundeswehr ein Riesenproblem hat. Die Getränke werden allgemein offenbar unterschätzt.

  • Nun, laut Bundespressekonferenz und "augengeradeaus.net" handelt es sich um eine Dose eine Energy Dring. Das relativiert die Sache wieder.

  • Drogen haben beim Militär eine lange Tradition. So reichen hierzu die Nachweise - in Deutschland - bis ins 3. Reich zurück, wo z.B. die Wehrmacht mit Pervitin (Methamphetamin), besser bekannt als “Panzerschokolade“, “gedopt“ wurde. Mit fatalen Konsequenzen: Soldaten starben auf Märschen oder kamen (die, die den Krieg überlebten) schwerst abhängig zurück.

    (…) “Sowohl Bundeswehr als auch Nationale Volksarmee (NVA) lagerten Pervitin für den Ernstfall bis zu den 1970er Jahren ein.[20] Es war Bestandteil der Verpflegung für Fallschirmjäger und wurde bei Übungen ausgegeben.[20] Die NVA produzierte Pervitin in einer Fabrik in Königsbrück bis 1975; es wurde danach durch APo-Neuron abgelöst. Bei Piloten war Pervitin für den Notfall vorgesehen, und der Verbandsatz der NVA enthielt bis 1988 Pervitin.[20] Auch nach 1945 wurde der Wirkstoff vom US-Militär zur Leistungssteigerung eingesetzt, beispielsweise während des Vietnamkriegs.“ (...) (Quelle: Wikipedia)

    Auch wenn die moderne Bundeswehr sich heute von Drogen in der Truppe distanziert, so bleibt die Erkenntnis, dass der eigene Leistungsanspruch und/oder der Anspruch von Vorgesetzten (z.B. Ausbilder) an die (freiwilligen) Soldaten zum Missbrauch beiträgt!