Aussteigerprogramm für Linksextreme: Tote Leitungen
Das Bundesamt für Verfassungsschutz unterhält ein Programm für ausstiegswillige Linksradikale. Die Nachfrage ist allerdings gering.
BERLIN taz | Spätestens seit den Ausschreitungen am Rande des G-20-Gipfels grassiert in Deutschland wieder die Angst vor gewaltbereiten Linksextremisten. Gut, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz erfolgreiche Programme gegen die Gefahr von links betreibt. So unterhält die Behörde seit 2011 ein Programm für ausstiegswillige Linksextremisten. Wer genug hat vom revolutionären Kampf kann sich telefonisch beim Verfassungsschutz melden und wird beim Ausstieg unterstützt – oder besser „würde unterstützt“.
Denn besonders erfolgreich ist das Programm nicht. Der taz liegt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag vor, die eine eher maue Bilanz ausweist. Lediglich 28 Kontaktversuche gab es zwischen 2014 und Mitte 2017. Im selben Zeitraum gab es sechs Folgegespräche. Im gesamten Jahr 2016 verzeichnete das Programm gerade einmal sieben Anrufe – das sind durchschnittlich knapp 0,6 Kontakte im Monat.
Viel Freizeit also für die Berater. Ob es dem Programm letztendlich gelungen sei, Betroffene die Trennung von der linken Szene zu ermöglichen lässt die Bundesregierung offen. Es lägen „keine Erkenntnisse vor, in welchen Fällen der Kontakt zum Bundesamt für Verfassungsschutz zu einem dauerhaften Ausstieg geführt hat.“
Entsprechend süffisant kommentiert die Innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, die Bilanz des Programms. „Aus Arbeitnehmersicht ist die Bilanz überaus positiv. Die Arbeitsbelastung in diesem Job ist ja überschaubar.“ Der Verfassungsschutz bewerbe sich hiermit um einen Preis für das überflüssigste Programm Deutschlands.
Bei den wenigen Ausstiegswilligen standen übrigens nicht politische Differenzen im Vordergrund. „Sofern Gründe (…) angegeben wurden, waren es psychische und soziale Probleme“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung.
Leser*innenkommentare
JustusF
Ach je, aber vielleicht verstärkt sich der Andrang ja, wenn es noch mehr Aussteigerprogramme gibt.
Wobei es in Hamburg doch schon erste Erfolge gab. Da konnten doch bereits 3 (+ X) Personen aus dem inneren Kreis der Flora herausgeholt werden. In dem abgebildeten Floristen* werden aber wohl auch die schönsten Programme bestimmt keinen neuen Klienten finden.
*ja, Florist ohne "" und nicht "Florist" (ugs. Aktivist der Roten Flora) , weil: http://www.mopo.de/hamburg/g20/nach-werbe-aktion-an-der--rote-flora--jetzt-verhoehnt-der-firmenchef-die-autonomen-28084282
88181 (Profil gelöscht)
Gast
Ja das ist halt der Popanz mit den Linksextremen.
Wer die Szene kennt weiß, dass es kein Problem ist, sich völlig gefahrlos aus ihr zu entfernen. Das wird vielleicht von den Genossinnen und Genossen bedauert, aber keiner nimmt übel.
Es sind eben keine durchgeknallten Kameraden für die Aussteiger Verräter und somit Feinde sind, die bekämpft werden müssen.
Rechtsextremismus ist in der Regel menschenfeindlich und gar nicht selten mörderisch. Die Analysen der Linksradikalen sind vielleicht nicht immer vom Feinsten, aber sie bringen keine Leute um. Schon klar, die RAF tat das schon, sie hat sich aber bei ihren Morden immer Personen aus Elite und Politik ausgesucht.
Und nicht ohnehin stigmatisierte wie Flüchtlinge oder Obdachlose.
Wenn man nicht mehr linksradikal sein will, dann ist man das eben nicht mehr, dafür braucht man kein Programm des Verfassungsschutzes.
TazTiz
Sie verwechseln da was mit Zeugenschutz-Programmen. Auch aus der rechten Szene können Sie gefahrlos aussteigen ...
Das Ausstiegsprogramm ist doch ein emotionales Unterstützen und Motivieren bzw. Aufklären usw. ... nichts mit neuer Identität oder so.
Philippe Ressing
@TazTiz ...na da dürften Ihnen einige Aussteiger aus der Nazi-Szene aber was anderes erzählen.