Institut für Niederdeutsch soll weg: Bremen macht Platt platt

Anstelle eines Vereins, der seit 40 Jahren erfolgreich arbeitet, soll ein „Länderzentrum“ an der kurzen Leine der Behörden das Niederdeutsche pflegen.

Am GEbäude des Instituts steht "Us Platt bewohr us dit ole Snoorhus".

Das bestehende Institut hat immerhin schon Gebäude, im historischen Stadtviertel Schnoor Foto: Klaus Wolschner

BREMEN taz | Der rot-grüne Bremer Senat schickt sich an, eine funktionierende Einrichtung zur Förderung des Niederdeutschen zu zerschlagen: das Institut für Niederdeutsch (INS). Zu den Gründen macht er auch der Presse gegenüber nur vage Angaben und die Nachfolgeeinrichtung steht bisher nur auf dem Papier.

Das Institut für Niederdeutsch residiert seit mehr als 40 Jahren im Zentrum Bremens, fünf Minuten zu Fuß vom Marktplatz entfernt. Der Trägerverein verfügt über zwei Immobilien im Touristen-Zentrum „Schnoor“, eine ansehnliche Bibliothek und Personal mit großer Kompetenz und Erfahrung. Der Geschäftsführer des Instituts, Reinhard Goltz, hat für sein Engagement für die niederdeutsche Sprache im Jahre 2011 das Bundesverdienstkreuz bekommen.

Bürostühle sind immerhin schon ausgesucht

Bisher wird das Institut von den Ländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen mit 271.000 Euro pro Jahr finanziert. Nach dem Beschluss des Bremer Senats soll das Geld vom 1. Januar 2018 an ein neu zu gründendes „Länderzentrum für Niederdeutsch“ gehen. Das INS bekommt nichts mehr. Für das Länderzentrum gibt es bisher weder Räume noch Personal, klar ist aber, dass es drei Bürostühle geben soll: zwei für jeweils 394,48 Euro, einen für 1.270,92 Euro.

Als im Mai 2016 der Bremer Senat dem Institut die Förderung gekündigt hat, gab er die Begründung schriftlich: „Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, einer sich immer schneller verändernden Medienlandschaft und der unterschiedlichen regionalen Besonderheiten“ hätten die vier Bundesländer beschlossen, die Förderung der niederdeutschen Sprache „auf eine neue Grundlage zu stellen“. Bis heute rätseln die Mitarbeiter des Instituts, was damit gemeint sein könnte. Weitere Auskünfte gibt es nicht, auch für die Presse gab es auf Nachfrage vom Bremer Kulturressort keine weitergehende Erläuterung.

Während die bürokratischen Details geklärt wurden, blieben alle inhaltlichen Fragen offen. Wo soll das neue „Länderzentrum“ angesiedelt sein? 80 Quadratmeter für maximal 12.000 Euro Warmmiete stehen im „Businessplan“.

Bisher stellt der Verein des INS seine Immobilien im Zentrum Bremens – Mietwert sicher 60.000 Euro im Monat – kostenfrei der Förderung des Niederdeutschen zur Verfügung. Da könnte sich das neue Länderzentrum einmieten, sagt Heiko Block, seit April 2017 neuer Präsident des INS. Aber das scheint die Behörde nicht zu wollen.

Da gibt es zum Beispiel eine Bibliothek mit 30.000 Bänden und CDs. Soll und will das neue Förderzentrum ohne das auskommen? Im „Businessplan“ ist der „Betrieb der Bibliothek des INS inkl. Bibliothekar“ mit null Euro veranschlagt. Als Kommentar dazu heißt es, es solle Gespräche darüber geben, „die Bibliothek in die Arbeit der Koordinierungsstelle einzubeziehen“.

Aber wenn das INS kein Geld hat, die Bibliothek zu betreiben – das erfordert inklusive Bibliothekar sicherlich mehr als 50.000 Euro im Jahr –, dann wird es diese Bibliothek nicht mehr geben. Laut Satzung würde sie an den „Verein für niederdeutsche Sprachforschung“ gehen. Dessen Vorsitzender, Professor Michael Elmentaler, würde die Bremer Bücher an seinem Germanistischen Seminar der Uni Kiel gut unterbringen können.

Und wer macht in Bremen die Lehrerfortbildung, wenn die Fachleute vom INS das nicht mehr nebenher machen, fragt Walter Henschen, Bremer Vertreter im „Bundesrat für Plattdeutsch“ und Rundfunkrat bei Radio Bremen. Wer pflegt das Online-Wörterbuch für Plattdeutsch, das das INS aufgebaut hat? Und woher sollen fachkundige Bewerber für das neue „Länderzentrum“ kommen, wenn nicht aus dem Umkreis des INS?

Hat der Direktor die Lobbyarbeit zu weit getrieben?

Alle Mitarbeiter könnten sich bewerben, wurde einmal in einem internen Gespräch kommuniziert – nur der Direktor, Reinhard Goltz, nicht. Der kantige Mann ist bei den Behörden offenkundig in Ungnade gefallen, weil er gegenüber der Obrigkeit nicht immer den richtigen Ton getroffen hat.

Und dann hat er sein fachliches Engagement für das Niederdeutsche mit Lobby-Arbeit vermischt: Er war Sprecher des Bundesrates für Niederdeutsch. In dessen Bericht an die EU zu der Frage, wie die Bundesländer ihre Verpflichtungen aus der von ihnen unterzeichneten „Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ erfüllen, werden Bremen 2014 unzureichende Anstrengungen vorgehalten. Das wird Goltz angekreidet.

Das ist auch der Zeitraum, in dem das bis dahin von der Kulturbehörde gehätschelte Institut offenbar in Ungnade fiel. Goltz hat seine Sprecherrollen beim Bundesrat für Niederdeutsch im Februar 2017 vorsichtshalber niedergelegt – aber da war es schon zu spät.

Die damalige Kieler Kulturministerin Anke Spoorendonk vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) hat in einem Brief einmal ihrem Ärger über Goltz Luft gemacht: Der habe „in mehreren Fällen eigenmächtig agiert und die Geberländer nicht über gravierende Entscheidungen insbesondere finanzieller und personeller Art informiert“, schrieb sie. Darauf warten, dass er im kommenden Jahr 65 wird, wollten die Kulturbehörden offenbar nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.