: „Ich möchte nicht gewählt werden“
SELBSTLIEBE Melda Hund tritt auf Listenplatz 17 einer Ein-Themen-Partei in NRW an. Ist sie echt?
Melda Hund, 23, Bundestagskandidatin, die ihren Rückzug aus der Politik verkündet
BERLIN taz | Ihre Bücher haben das Zeug, echte Leckerbissen zu werden. „Ich arbeite“, sagt Melda Hundt, „an ungefähr 14 Themengebieten zurzeit, und einige davon werden auch Bücher.“
Melda Hund, 23, aus Reichshof-Eckenhagen tritt doch und gleichzeitig auch nicht zur Bundestagswahl an. Sie ist auch so ehrlich zu sagen, dass sie gar nicht gewählt werden möchte. Nun: Es wäre aussichtslos, Melda Hund zu wählen. Mit Listenplatz 17 auf der nordrhein-westfälischen Landesliste der Grundeinkommenspartei (BEG) würde sie selbst, wenn sie überhaupt wollte, kein Mandat erhalten.
Was Hund stattdessen vorschlägt, ist eine wirkliche Alternative: sich selbst. Doch immerhin könnte dies für sie noch ruhmreich enden. Weil der Westdeutsche Rundfunk im Internet einen „Kandidatencheck“ anbietet, bei dem nahezu sämtliche Bundestagskandidaten des Landes, auch die vermeintlich aussichtslosen, in kurzen Videos nach ihren Positionen befragt werden, kann dort jeder Melda Hund kennenlernen. Ihr Auftritt ist sehenswert, weil dort die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zu verschwimmen scheinen – und dann wieder auch nicht.
Die junge Frau wirbt im Kern für eine große Politik im Kleinen: „Wenn ich Ordnung in mein kleines Universum bringe, dann habe ich damit schon etwas sehr Wichtiges getan.“ Befragt nach Terror und innerer Sicherheit sagt sie: „Meine persönliche Lösung ist es, die Menschen an die Selbstliebe zu erinnern, in die Selbstliebe zu gehen und die Selbstliebe für sich zu entdecken.“
Nun freut sich Melda Hund auf das EyeContact-Experiment am 23. September, einen Tag vor der Bundestagswahl, bei dem sich Menschen rund um die Welt lange in die Augen schauen. Außerdem schlägt ihr Herz, so steht es auch auf der Homepage, für ihre „[voraussichtlich in den nächsten Jahren entstehende] autofiktionale Biografie“. Bei Autofiktion handelt es sich um ein Spiel mit Authentizität und Wahrheit. Und so stellt sich ganz einfach die Frage: Wer ist Melda Hund? Und ist Melda Hund überhaupt echt?
Es mangelt in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus schließlich nicht an Vorlagen. Der SPD-Abgeordnete Jakob Maria Mierscheid zum Beispiel ist eine Figur, von der viele bis heute (nicht) glauben, dass sie seit 1979 im Deutschen Bundestag sitzt, obwohl dort sogar eine Brücke nach ihm benannt ist.
Und man muss schließlich anerkennen, was anzuerkennen ist. Dieser Satz von Melda Hund könnte auch von Jakob Maria Mierscheid stammen: „Ich möchte mich vorläufig aus der Politik verabschieden und werde vielleicht am Rande noch als Informationsträger vorhanden sein.“
Das ist ehrlich, sympathisch – und auch irgendwie: wahr.
Martin Kaul
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