„Atommülldrehscheibe“ Braunschweig: Radioaktiver Müll auf Weltreise

Die Firma Eckert & Ziegler lässt atomaren Abfall in den USA verbrennen und lagert die radioaktive Asche dann in Braunschweig ein.

Die „Bürgerinitiative Strahlenschutz“ protestiert schon lange gegen das Unternehmen Foto: DPA

HAMBURG taz | Das in Braunschweig ansässige Unternehmen Eckert & Ziegler hat anscheinenden mehr atomaren Müll umgeschlagen, als angenommen. Nach Recherchen des NDR wurde tonnenweise schwach-radioaktiv belasteter Abfall in die USA verschifft, dort verbrannt und danach wieder nach Braunschweig zurückgebracht und dort eingelagert. Bei Anwohnern und der umtriebigen „Bürgerinitiative Strahlenschutz“ (BISS) stoßen die Aktivitäten von Eckert & Ziegler schon länger auf Kritik – die Initiative spricht von einer „Atommülldrehscheibe“ in Braunschweig-Thune.

Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) sagte der taz, die Zuständigkeiten für Transporte von radioaktiven Abfällen seien „mehr als kompliziert. Eine strenge Neuordnung ist überfällig.“ Der Bund sei gefordert, für eine Neuregelung zu sorgen.

Die Eckert & Ziegler Strahlen- und Medizintechnik AG umfasst 32 Gesellschaften. Der Konzernumsatz betrug 2016 138 Millionen Euro. Das Unternehmen beschäftigt rund 800 Mitarbeiter.

Der Ursprung der Firma geht auf das Zentralinstitut für Iso­topentechnik, ein Forschungs­institut der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR, zurück.

Nach der Wende übernahmen die ehemaligen Mitarbeiter Jürgen Ziegler und Andreas Eckert die Räumlichkeiten und Patente und begannen mit der Produktion von schwach radioaktiven Strahlenquellen für industrielle und medizinische Anwendungen.

Im Jahr 2009 übernahm Eckert & Ziegler den Braunschweiger Isotopenspezialisten Nuclitec GmbH. 2012 bezog der Konzern seine neue Firmenzentrale im Campus Berlin-Buch, einem biomedizinischen Wissenschafts-Campus.

Das Unternehmen Eckert & Ziegler stellt radioaktive Produkte für die Medizin her, etwa Substanzen für radiologische Untersuchungen und Strahlenquellen für Krebstherapien. Ein zweiter Geschäftszweig ist die Konditionierung von Atommüll, also die Behandlung und Verpackung von radioaktiven Abfällen für eine spätere Zwischen- oder Endlagerung, auch für andere Kunden. Auf dem Betriebsgelände im Stadtteil Thune lagern große Mengen radioaktiver Abfälle. Es grenzt an ein Wohngebiet, auch eine Schule und ein Kindergarten liegen in unmittelbarer Nähe.

Durch die Recherchen des NDR kam ans Licht, dass das Unternehmen zwischen 2012 und 2016 insgesamt 135 Tonnen radioaktiv belasteter Rückstände von Braunschweig in die Vereinigten Staaten verschifft hat. In Oak Ridge im US-Bundesstaat Tennessee seien die radioaktiven Stoffe durch eine Spezialfirma verbrannt worden. Auf diese Weise habe das Volumen der Abfälle verkleinert werden gesollt.

Die radioaktive Asche wurde danach zurück nach Braunschweig transportiert, wie die US-amerikanische Atombehörde Nuclear Regulatory Commission (NRC) dem Sender bestätigte. Laut dem Bericht heißt es in einem Begleitschreiben, Eckert & Ziegler sei „near capacity“, also nahe an ihrer Kapazitätsgrenze für Atommüll.

Für die Zukunft haben die US-Behörden offenbar die Einfuhr weiteren Atommülls genehmigt. Bis zu 1.000 Tonnen schwach radioaktiver Abfälle dürften aufgrund eines Vertrages mit der US-Firma „Energy Solutions“ bis 2021 in die USA gebracht werden, sagte Peter Meyer von der BISS am Montag zur taz: „Und das alles von Braunschweig in die USA und wieder zurück.“

Eckert & Ziegler selbst trug vorerst nichts zur Aufklärung der Vorgänge bei. Die taz wollte unter anderem wissen, welche radioaktiven Stoffe in die Vereinigten Staaten gebracht, wie sie transportiert und von wem die Genehmigungen dafür erteilt wurden. Das Unternehmen ließ die Anfrage bis Redaktionsschluss jedoch unbeantwortet. Auch der NDR konnte nach eigenen Angaben keine Interviews mit Verantwortlichen des Unternehmens führen.

Zwischen Eckert & Ziegler auf der einen und den Umweltschützern auf der anderen Seite schwelt aber noch ein weiterer Konflikt. Die Firma will eine weitere Lagerhalle für Atommüll mit einem Volumen von rund 26.000 Kubikmetern bauen. Nach Protesten hatte die Stadtverwaltung der Firma den Bau untersagt und eine Veränderungssperrre für das fragliche Areal erlassen. Eckert & Ziegler klagte. Das Verwaltungsgericht entschied, das Unternehmen habe Anspruch auf die erneute Prüfung seines Bauantrags.

Inzwischen haben sich die Kommune und das Unternehmen auf Rahmenbedingungen für den Bau der Halle verständigt, eine Erweiterung des Firmengeländes ist damit sehr wahrscheinlich. Die BISS fordert dagegen weiter die Umsiedlung von Eckert & Ziegler. „Dieser Standort mitten im Wohngebiet, neben zwei Schulen mit rund 1.300 Kindern und Kindertagesstätten ist vollständig ungeeignet und muss verlagert werden“, sagt Peter Meyer.

Auch aus Sicht von Landesumweltminister Wenzel ist der Standort von Eckert & Ziegler „sehr schwierig“. In Braunschweig-Thune seien in der Stadtplanung der vergangenen Jahrzehnte viele Fehler gemacht worden. Deshalb habe das Umweltministerium schon vor Jahren damit begonnen, die Aufsicht über den Betrieb zu verschärfen. „Zuständigkeiten, Strahlenschutz, Umgebungsüberwachung, Lärmschutz, Genehmigungen und Störfallanalyse – alles kam auf den Prüfstand und diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen“, sagte Wenzel. Den Wunsch der Anwohner nach Verlagerung bezeichnete er als „verständlich“. Gerichtsentscheide und Genehmigungen mit Bestandsschutz dürften und könnten jedoch nicht ignoriert werden.

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