Konflikt zwischen USA und Nordkorea: Bizarrer Anruf aus Washington
Die verbale Aufrüstung zwischen den USA und Nordkorea bietet immer wieder neue Pointen. Das sieht skurril aus, birgt aber große Gefahren.
Es ist ein befremdliches Gespräch, das der Gouverneur Guams auf seine Facebook-Seite hochgeladen hat. Denn der US-Präsident hat für Calvo noch ein Geschenk parat: Die mediale Aufmerksamkeit durch die Nordkorea-Krise werde die lokale Tourismusbranche pushen. „Ihr werdet ungefähr zehnmal so viel Tourismus haben, ohne dafür Geld ausgeben zu müssen.“
Etwa 160.000 Leute leben auf der paradiesischen Insel Guam, die kaum zwei Drittel der Größe Berlins hat. Für die Japaner und Südkoreaner ist sie ein beliebtes Reiseziel, für das US-Militär gilt ihre Lage zwischen Westküste und Ostasien als strategisch bedeutsam.
Rund sechstausend US-Soldaten sind dort stationiert, 30 Prozent der Landfläche sind mit Militärbasen bebaut. Für Guam selbst sind Bedrohungen durch Nordkorea nichts Neues, doch so konkret wie derzeit wurden sie bislang noch nie formuliert: Über die staatliche Nachrichtenagentur KCNA veröffentlichte die nordkoreanische Volksarmee detaillierte Pläne für einen Raketenangriff auf das Eiland. Die Lokalregierung Guams hat nun ihre Bewohner mit einem Flugblatt für den Ernstfall vorbereitet. Im Falle eines Alarms hätte man 14 Minuten Zeit bis zum Einschlag.
Bis dahin sollen die Bewohner rasch in einem festen Gebäude Unterschlupf suchen. Ebenso wird zum Packen eines „Notfallkoffers“ geraten. Für den Fall eines Atomschlags heißt es: „Wenn möglich, duschen Sie mit viel Seife und Wasser, um die radioaktive Kontaminierung zu entfernen.“ Haarshampoo sei jedoch kontraproduktiv, denn das „bindet radioaktives Material“.
Improvisierter Freestyle
Dass es tatsächlich zum Ernstfall kommt, ist jedoch trotz der Hysterie überaus unwahrscheinlich. Das nordkoreanische Regime will zwar um jeden Preis von seinem Erzfeind Amerika ernst genommen werden, die Regierung legitimiert sich schließlich als militärische Schutzmacht vor der feindlichen Außenwelt. Dass Pjöngjang jedoch ernsthaft daran glaubt, bei einen militärischen Konflikt gegen die USA standhalten zu können, ist abenteuerlich.
Die größte Gefahr birgt eine Fehlkalkulation der gegenseitigen Eskalationen. In dieser Hinsicht hat sich Trump als Alptraum herausgestellt: Seine Nordkorea-Strategie lässt sich bestenfalls als improvisierter Freestyle umschreiben – unkoordiniert, widersprüchlich, affektiv.
Sieben Monate nach Trumps Amtsübernahme ist noch immer kein neuer US-Botschafter nach Seoul entsandt worden. Auch im Außenministerium sind nach wie vor viele Kernposten noch immer nicht besetzt, darunter der Chefbeamte für Ostasien. Oftmals muss die offizielle Position zwischen den verbalen Ausrutschern des Präsidenten und seinem zurückrudernden Außenminister dechiffriert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“