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„Sie haben den Pfad der Redlichkeit verlassen“

NiedersachsenLandtag streitet in Sondersitzung heftig über Grünen-Überläuferin und Neuwahl

„Der Wahlkampf wird hart, Sie haben ihn so eingeläutet“

Anja Piel, Grüne

HANNOVER/BERLIN taz | Elke Twesten ist konsequent. Die grüne Überläuferin saß am Donnerstag im Niedersächsischen Landtag bereits in den Reihen der CDU-Abgeordneten. Zwischen Exlandwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen und Exinnenminister Uwe Schünemann verfolgte sie eine Sondersitzung, die nur wegen ihr stattfand.

Die Abgeordneten berieten über die Auflösung des Landtags, weil die rot-grüne Regierung von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nun keine Mehrheit mehr hat. Am 21. August soll über die Auflösung abgestimmt werden, am 15. Oktober folgen Neuwahlen.

Heiß diskutiert wurde am Donnerstag, warum es so kommen musste. Im Mittelpunkt der Debatte, natürlich: Elke Twesten. Ministerpräsident Weil sprach gar von einer „Kampagne“ gegen ihn und seine Regierung. Der Parteiwechsel sei kein normaler Vorgang.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder warf der CDU vor, Twestens Stimme gekauft zu haben. „Wie hoch war der Preis?“ Als unanständig bewertete sie die Vorgänge und warf der ehemaligen Grünen vor: „Ich fürchte, Frau Twesten, Sie haben tatsächlich Ihren inneren moralischen Kompass verloren.“ Eigennützige Motive hätten zum Wechsel geführt, mit dem sich Twesten „über den Willen der Wähler hinweggesetzt“ habe.

Grünen-Fraktionsführerin Anja Piel vermied Frontalangriffe auf Twesten. Kein gutes Licht werfe der Wechsel aber auf die politische Kultur des Landes, sagte sie. Glaubwürdiger wäre gewesen, hätte Twesten für einen Nachrücker Platz gemacht. Entschiedener ging Piel CDU und FDP an. „Der Wahlkampf wird hart, Sie haben ihn genau so eingeläutet. Sie haben den Pfad der Redlichkeit bereits verlassen.“ Die Grüne warf der Konkurrenz ein Verhalten wie in der TV-Serie „House of Cards“ vor. „Wir dagegen kämpfen um Wählerstimmen, nicht um Einschaltquoten.“

CDU und FDP attackierten die Regierungskoalition. „Sie sind gescheitert“, lästerte der FDP-Vizefraktionschef Stefan Birkner. Er bemängelte Rechtsverstöße in Staatskanzlei und Ministerien. Weil sei einer Arroganz der Macht erlegen. „Sie sind an sich selbst gescheitert, nicht an Elke Twesten.“ Jens Nacke (CDU) bezeichnete Innenminister Boris Pistorius (SPD) als „Roten Sheriff“, gefesselt von einem „grünen Seil“. „Die Ein-Stimmen-Mehrheit ist ein Klotz am Hals des Landes.“

Nach einer aktuellen Umfrage von infratest dimap hätten SPD und Grüne keine Mehrheit mehr im Landtag. Die CDU läge mit 40 Prozent deutlich vor den Sozialdemokraten (32 Prozent). Für Schwarz-Gelb würde es aber nach jetzigem Stand auch nicht reichen. David Joram

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