Kommentar Propagandist im Bamf: Retten, was zu retten ist

Ein mutmaßlicher Propagandist der vietnamesischen Regierung hat über die Zukunft von Asylbewerbern entschieden. Das wirft viele Fragen auf.

Ein mit Bundesadlern und der Bezeichnung "Bundesamt" versehenes Gebäude von außen

Hier wird über die Zukunft von Asylbewerber*innen entschieden Foto: dpa

Man kann einem Metzger den Schlüssel zum Tierheim geben. Man kann einen Dortmunder zum Trainer auf Schalke machen. Oder man kann, wie offenbar im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geschehen, einen mutmaßlichen Propagandisten der vietnamesischen Regierung über die Zukunft von Asylbewerbern entscheiden lassen.

Ein Mann, der im Nebenjob in vietnamesischen Medien gegen den Rechtsstaat, Menschenrechte und Journalisten hetzt, arbeitet seit 26 Jahren für das Amt. Dort bestimmt er über das Schicksal von Menschen, die vor Unrecht, Menschenrechtsverletzungen und Pressezensur nach Deutschland geflohen sind. Nach diesem Skandal müssen deutsche Behörden jetzt Fragen beantworten – und das Bamf selbst muss den Schaden wiedergutmachen.

Aufgeflogen ist der Fall erst, als der Mann in einem Artikel die mutmaßliche Entführung eines vietnamesischen Expolitikers in Berlin kleinredete. Das Bamf erfuhr davon nicht durch Sicherheitsbehörden, sondern durch Journalisten. Dafür kann es Erklärungen geben: Der Mann schreibt seinen Namen in Viet­nam anders als in Deutschland, auf Deutsch publizierte er nie, und ohne konkreten Verdacht geht es Arbeitgeber ohnehin selten an, was Mitarbeiter in ihrer Freizeit treiben.

Behörden können nicht zu hundert Prozent ausschließen, dass die Falschen bei ihnen anheuern; sie können Sachbearbeiter auch nicht unter Generalverdacht stellen, weil sie auf Face­book in fremden Sprachen schreiben.

Der Fall flog erst durch die Entführung eines vietnamesischen Expolitikers auf

Sie können Mitarbeiter in sensiblen Bereichen aber durch eine Sicherheitsüberprüfung schicken und ihre Daten mit Erkenntnissen von Polizei, Verfassungsschutz und BND abgleichen. Ist das in diesem Fall passiert? Gab es keine Treffer? Warum nicht?

Aus den Antworten könnte das Bamf möglicherweise Konsequenzen für die Zukunft ziehen. Für die Vergangenheit kann es nur noch retten, was zu retten ist. Nach dem Fall des mutmaßlich rechtsextremen Bundeswehrsoldaten Franco A., der als falscher Syrer Asyl erhalten hatte, überprüfte das Bamf noch einmal stichprobenartig 2.000 positive Asylentscheidungen. So wie damals sollte die Behörde jetzt alte Akten rausholen: Sie muss all die Fälle überprüfen, in denen der Propagandist aus Vietnam Asyl verwehrt hat.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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