: Die Abrechnung naht: Rote Flora soll bezahlen
Räumung Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) droht der Roten Flora mit Konsequenzen wegen der G20-Krawalle. Die Szene befürchtet eine Razzia der Steuerfahndung. AfD will Ortsbegehung machen
Nach einer Plenumssitzungam 12. Juli veröffentlichte die Rote Flora eine Erklärung mit dem Titel: „Wir sind radikal, aber nicht doof ... Flora bleibt“.
Darin übte das Plenum Selbstkritik: „Emanzipatorische Politik bedeutet für uns nicht, Unbeteiligte in Angst und Schrecken zu versetzen. Eine selbstkritische Aufarbeitung der Ereignisse innerhalb der Szene wird in den nächsten Wochen stattfinden.“
Die Schuld für die Auseinandersetzungensieht die Flora beim Senat: „Der versucht nun für das eigene Versagen einen Sündenbock zu finden – die Rote Flora.“ (...) „Es soll ein Klima geschaffen werden, in dem die Kriminalisierung von politischen Strukturen sowie die Zerschlagung des besetzen Projektes Rote Flora vorbereitet werden soll.“
von Katharina Schipkowski und Sven-Michael Veit
Jetzt wird es richtig ungemütlich in der Schanze. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) kündigte fast vier Wochen nach den Auseindersetzungen beim G20-Gipfel Konsequenzen für die Rote Flora an. „Es kann dort nicht so bleiben, wie es ist. Militante Gewalt darf aus der Roten Flora heraus nicht mehr unterstützt werden“, erklärte er in einem Bild-Interview. Es habe „eine Zeitlang so ausgesehen, dass es dort friedlicher würde. Jetzt ist der Rückschlag da“, so Scholz.
Zwar sprach er nicht direkt von einer drohenden Räumung des Autonomen-Zentrums am Schulterblatt, aber von klaren Schritten, die er demnächst einleiten wolle: „Ich weiß, wohin ich will. Ich handele.“
Bei den Krawallen Anfang Juli waren Hunderte Polizisten und Demonstranten verletzt, Dutzende Autos zerstört, Barrikaden entzündet und Geschäfte geplündert worden. Scholz und Innensenator Andy Grote (SPD) geben den Flora-Aktivisten eine Mitschuld an den Ausschreitungen. Die CDU forderte bereits die Räumung.
Für öffentliche Aufregung hatte zudem eine Aussage des Flora-Anwalts Andreas Beuth gesorgt: „Wir als Autonome und ich als Sprecher der Autonomen haben gewisse Sympathien für solche Aktionen, aber bitte doch nicht im eigenen Viertel, wo wir wohnen. Also warum nicht irgendwie in Pöseldorf oder Blankenese?“, hatte er in einem NDR-Interview gesagt. Obwohl er sich tags darauf von seinen Worten distanzierte, leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Beuth ein wegen des Verdachts der Billigung von Straftaten.
Für Aufregung in der autonomen Szene sorgte am Donnerstag der Aufruf der Flora zu einer Vollversammlung, falls es zu einer Hausdurchsuchung kommen sollte. „Derzeit verdichten sich die Informationen, dass es in den kommenden Wochen zu einer Durchsuchung der Roten Flora kommen könnte. Wir rufen zum Tag X um 20 Uhr zu einer Vollversammlung in der Flora auf. Haltet die Augen und Ohren offen. Solidarität gegen ihre Repression!“, so der Blog.
Aus Szenekreisen heißt es, die Steuerfahndung habe das Kulturzentrum im Visier. Es könne sein, dass jetzt über diesen Hebel versucht werde, der Flora Schaden zuzufügen. Die Hamburger Finanzbehörde wollte die Meldung nicht kommentieren – zu Ermittlungen wegen Steuerbelangen werden generell keine Auskünfte gegeben, sagte ein Sprecher: „Ob jemand Steuern zahlt oder nicht, unterliegt dem Steuergeheimnis.“ Ein offenes Geheimnis ist jedoch, dass die meisten besetzten oder selbst verwalteten Kulturzentren keine Steuern zahlen.
Die AfD will die Gunst der Stunde für Einblicke in die Flora nutzen. Eine Ortsbegehung fordert der Abgeordnete Dirk Nockemann, der 2002 als Innensenator der Schill-Partei schon mal von der Räumung der Flora geträumt hatte. Die Bürgerschaft müsse, so Nockemann, „endlich hinter die Kulissen schauen.“
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