Das Zelluloid-Kino lebt: Von der Rolle

Durch die Digitalisierung des Kinos ist der Beruf des Projektionisten fast überflüssig geworden. Doch einige kommunale Kinos halten an ihren Zelluloid-Experten fest

BREMEN taz | Wenn Filmvorführer im Film die Hauptrolle spielen, wird es dramatisch. In „Cinema Paradiso“ von Giuseppe Tornatore verliert der von Philippe Noiret gespielte Filmvorführer Alfredo in einem fürchterlichen Feuer das Augenlicht. Und in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ verändert ein brennendes Kino sogar die Weltgeschichte.

Tatsächlich war das Bedienen eines Filmprojektors bis in die 50er-Jahre hinein ein gefährlicher Job. Lange wurden Nitratfilme vorgeführt, die sich leicht selbst entzünden konnten und deshalb heute unter das Bundessprengstoffgesetz fallen. In einigen Kinos, die kurz nach dem zweiten Weltkrieg gebaut wurden, gab es extra für den Vorführer neben dem Projektionsraums einen kleinen Balkon mit Loch im Boden und einer Rutschstange als Fluchtweg.

Das sogenannte Zelluloid wurde dann langsam durch den „Sicherheitsfilm“ aus Celluloseacetat ersetzt, der höchstens mal im Projektor durchschmorte, wenn er steckenblieb. Das war dann immer eine Blamage für den Filmvorführer, doch dann kam der Film aus Polyester, der so stabil ist, dass er eher die Mechanik des Projektoren zerlegt, als selbst zu reißen.

Gefährlich ist die Lage heute nicht mehr, aber dramatisch. Denn der Beruf des Filmvorführers ist zwar noch nicht ganz ausgestorben, aber durch die Digitalisierung weitgehend überflüssig geworden. Vor der umfassenden Umrüstung der Kinos auf digitale Projektion gab es noch um die 4.000 Filmvorführer in Deutschland, von denen nun gerade mal 200 bis 300 übrig geblieben sind. Diese arbeiten vor allem in Kommunalkinos, bei denen der 35-Millimeter-Projektor noch nicht abgebaut wurde, weil dort auch alte Kopien aus Archiven gezeigt werden.

Kommerzielle Filmverleiher lassen schon lange keine Filmkopien mehr ziehen, Ausnahmen sind die 70-Millimeter-Versionen von Tarantino-Filmen und gerade aktuell „Dunkirk“ von Christopher Nolan. Vielleicht wird es einmal eine Renaissance der analogen Filmprojektion geben, so wie auch immer mehr Vinyl-Schallplatten verkauft werden. In Bremerhaven wird beispielsweise der Reisefilm „Flying Clipper – Traumreise unter weißen Segeln“ (siehe Shortcuts) analog auf 70mm gezeigt werden, aber das ist eine Ausnahme.

Klaus Eichholz ist seit 1995 Filmvorführer im Bremer Kommunalkino City 46 und hält dies auch heute noch für eine gültige Berufsbezeichnung, obwohl er inzwischen für die technische Leitung des Kinos verantwortlich ist. Er gehört zu der alten Garde der Filmvorführer, die, wenn es sein muss, einen Projektor auseinandernehmen und wieder zusammensetzten können. Jedes Filmfestival hatte einst einen von diesen hochbegabten Bastlern, die gerufen wurden, wenn es Probleme gab und dann fast immer auch schnell eine Lösung fanden. So konnte jeder Filmvorführer einen Film kleben, der gerissen war. Wenn jetzt bei einer digitalen Projektion etwas schiefläuft, muss der Kundendienst gerufen werden. Nicht einmal eine kaputte Lampe kann da noch ausgewechselt werden.

Der analoge Projektionist musste den Film scharf stellen, bei der digitalen Projektion ist er immer optimal scharf. Früher war der Job noch richtig hart, denn die Filmrollen wogen rund 20 Kilo und mussten auf die Türme neben den Projektoren gehievt werden. Von Rückenproblemen hat Eichholz erzählt, dass er immer Hornhaut an den Fingerkuppen hatte, weil ein Filmvorführer jeden Filmstreifen einmal komplett durch die Finger laufen ließ, um Perforationsfehler zu finden und diese zu reparieren, damit die Filme nicht bei der Vorführung rissen. Der Filmstreifen für einen Spielfilm war drei bis vier Kilometer lang und es brauchte etwa 20 Minuten, um ihn so einmal durchlaufen zu lassen

Klaus Eichholz bildet immer noch Filmvorführer aus, die dann im City 46 eingesetzt werden. Sie lernen noch, den 35-Millimeter-Projektor zu bedienen. Das dauert etwa acht Stunden Im City 46 gibt es auch noch einen 16-Millimeter-Projektor, der fast nur noch für Veranstaltungen mit Experimentalfilmen verwendet wird.

Doch auch im City 46 wird inzwischen meist nur auf den Knopf gedrückt, um die digitale Projektion zu starten. Aber da dort viele verschiedene Produktionen in unterschiedlichen Formaten laufen, muss Eichholz oft Filme am Computer so umformatieren, dass sie im Kino überhaupt laufen können. Und auch weil das Kommunalkino oft Gäste hat oder live Musik gespielt wird, ist die Arbeit dort anspruchsvoller als in den kommerziellen Kinos, wo die gleichen Filme ja meist en suite in einem Saal von mittags bis nachts laufen.

Inzwischen verleihen die Filmstudios die Filme nur noch mit einem digitalen Schlüssel, der nur innerhalb einer genau definierten Zeit gültig ist. Da kann es bei Verspätungen schon mal passieren, dass das Zeitfenster sich plötzlich schließt und der Film einfach abbricht. Kommerzielle Kinos sind inzwischen reine Abspielstätten und haben viel von ihrem Recht zu bestimmen, was wann und wo vorgeführt wird, abgegeben.

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