: Wenig Licht, viel Dunkel
NSU-Aufklärung
Keinen Bock mehr auf Geheimniskrämerei und intransparente Aufklärung hatte die Landtagsfraktion der Linken in Mecklenburg-Vorpommern. Deswegen veröffentlicht sie seit Dienstag auf ihrer Website überblicksartige Berichte aus dem nicht-öffentlichen NSU-Sonderausschuss zur Aufklärung der Vorfälle in Mecklenburg-Vorpommern. Vor allem im Zusammenhang mit der Ermordung Mehmet Turguts 2004 in Rostock gibt es noch zahlreiche offenen Fragen.
Peter Ritter, der für die Linke in dem Ausschuss sitzt, sagte der taz im Interview: „Es gibt keine Aufklärung ohne Öffentlichkeit. Die parlamentarische Aufklärung in Mecklenburg-Vorpommern hat versagt.“ Zudem verweigert der Generalbundesanwalt dem Unterausschuss des Innenausschusses die Herausgabe von NSU-Ermittlungsakten. Der Unterausschuss sei zur Akteneinsicht nicht berechtigt.
Zuletzt forderte Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) als höchste parlamentarische Instanz die Herausgabe der Akten. Sollte auch das erfolglos bleiben, kommt es vielleicht auch in Mecklenburg-Vorpommern zu einem richtigen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der weitreichendere Rechte hat und auch ZeugInnen hören könnte.
Das jedenfalls stellte am Freitag der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Krüger, in Aussicht: Sollten die Bemühungen der Landtagspräsidentin zu keinem Ergebnis führen, werde man auf die anderen Fraktionen „zugehen und mit ihnen beraten, ob ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt werden soll“. Die Linke ist ohnehin für einen richtigen Untersuchungsausschuss. Für die Einsetzung sind 18 Abgeordnete notwendig, zusammen kommen SPD und Linke auf 37 Abgeordnete.
Anders als in vielen anderen Bundesländern, in denen das rechte Terrornetzwerk Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) Morde begangen hatte, gab es in Mecklenburg-Vorpommern nach dem Auffliegen des NSU 2011 bislang keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Dabei ist das Bundesland nicht unwichtig in der Genese rechter Gewalt und rechten Terrors: 1992 hat dort der bundes- und weltweit rezipierte Pogrom von Rostock-Lichtenhagen stattgefunden. Über mehrere Tage tobte ein bürgerlich-rechter Mob, der vor laufenden Kameras Molotow-Cocktails auf ein Wohnheim von VietnamesInnen warf – die Polizei zog sich zurück und AnwohnerInnen klatschten Beifall. Ebenfalls in Rostock, 7,4 Kilometer Luftlinie entfernt, wurde zwölf Jahre später Mehmet Turgut ermordet.
Das eine hat mit dem anderen durchaus zu tun: Auf bundespolitischer Ebene zogen die Ausschreitungen eine von der SPD mitgetragene Asylverschärfung nach sich. Die Realpolitik belohnte rechte Gewalt. Das zeigte dem rechten Spektrum, inwieweit gewaltsames Handeln sich aus ihrer Perspektive lohnen kann. Eine Botschaft, die in der Szene bundesweit und auch von den späteren Rechtsterroristen durchaus verstanden wurde. gjo
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