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Es soll wieder flimmern

Kinogeschichte Das Globe in einer ehemaligen Kaserne bei Oldenburg ist das letzte Kino seiner Art in Deutschland. Eine Initiative will das alte Lichtspielhaus kaufen und sanieren

von Wilfried Hippen

Efeu rankt bis in das Innere des Backsteinbaus, von der Decke des Saals klaffen Löcher und die mit goldenen Kordeln gepolsterte Rückwand ist fleckig und verschlissen. Im Kino Globe flimmert seit fast 25 Jahren kein Projektor mehr. Auf dem Programm steht nur noch Verfall.Bald wäre ein Abriss nicht mehr zu vermeiden – egal, ob Denkmalschutz oder nicht. Deshalb soll das alte Kino auf dem ehemaligen Kasernengelände Oldenburg-Donnerschwee gerettet werden.

Das Globe hat eine spezielle Geschichte: 1954 wurde es von Briten, die damals dort statio­niert waren, gebaut. Zusammen mit 16 weiteren Globe-Kinos an Militärstandorten in ganz Deutschland. Als die Briten 1958 abzogen, übernahm die Bundeswehr Gelände und Kino. Im Globe liefen James Bond-Streifen und Bud Spencer. Für zwei Mark hatten offiziell nur Soldaten Eintritt, aber sie durften Gäste mitbringen.

Nachdem sich die Videogeräte in den Kinos durchsetzten, wurde ab 1984 in den Kasernen der regelmäßige Betrieb eingestellt. Im Oldenburger Globe fand 1993 die letzte Vorführung statt. Die Auswahl des Filmes sicher kein Zufall: Es lief „Der längste Tag“ aus dem Jahr 1962 über den D-Day, mit dem die Invasion der Alliierten an der Küste der Normandie begann.

Trotz Verfalls weht durch das Globe immer noch ein Hauch von Luxus und 60er-Jahre. Der Filmsaal befindet sich fast noch im Originalzustand, ausgestattet mit 404 hölzernen Klappsesseln, einem Orchestergraben und Schnürboden. Es wurde offenbar nie etwas geändert.

Anfang 2017 sprachen Anwohner bei einem Stadtteiltreffen davon, das Globe retten zu wollen. Zu ihnen stießen bald Michael Ohlson und seine Partnerin Frauke Engelmann, mit der Idee eine Genossenschaft zu gründen. Ohlson, ein agiler Spät-Fünfziger, der sich selber als „Freier Künstler, Kunsttechniker und Ästhet“ bezeichnet, hat schon an einem ähnlichen Projekt nach dem Genossenschaftsmodell mitgearbeitet: Das Poly-Haus in der Innenstadt von Oldenburg wurde so gerettet und renoviert. „Über 1500 Stunden“ habe er daran gearbeitet, erzählt Ohlson. Und auf die Frage, warum er sich das noch einmal antun wolle, antwortet er: „Ich baue gerne!“

Das Globe-Projekt ist bereits durchdacht und kalkuliert. Im April wurde eine „Kulturgenossenschaft Globe“ gegründet, bei der ein Anteil, also die Mindesteinlage eines Genossenschaftlers, bei 100 Euro liegt. Mehr als 250 Anteile dürfen pro Person nicht eingezahlt werden. Damit die Genossenschaft nicht von einem potenten Sponsor abhängig wird, der das Projekt gefährden könnte, wenn er sein Kapital zurückzieht. Da bei dem Projekt die Gemeinnützigkeit festgestellt wurde, können die Einlagen als Spenden abgesetzt werden. Bisher haben 150 Genossenschaftler 93000 Euro eingezahlt. Bis zum 30.9. müssen 240.000 Euro zusammenkommen, diesen Preis fordert der jetzige Besitzer Gerold Breschke. Vor einigen Jahren wollte er noch über 400.000 für das Globe.

Breschke steht dem Projekt der Initiative positiv gegenüber. Wohl auch aus Mangel an Alternativen, denn der Bau steht unter Denkmalschutzes und darf nicht abgerissen oder ohne Genehmigung baulich verändert werden. Der Architekt Herrmann Möhlenkamp, Spezialist für Theaterbauten und seit Kurzem pensioniert, hat einen Entwurf für die Sanierung und einen Kostenplan erstellt. Die Sanierung gibt er mit 1.3 Millionen Euro an, wobei 900.000 Euro aus öffentlichen Mitteln kommen dürften.

Das Globe ist das einzige noch bestehende Kino, das von den Briten nach dem Krieg in Deutschland erbaut wurde

Es ist auch gut möglich, dass das Globe nach einem entsprechenden Antrag als „Denkmal nationalen Rangs“ eingestuft wird, denn es ist das einzige noch bestehende Kino, das von den Briten nach dem Krieg in Deutschland erbaut wurde. So würden sich noch ganz andere Fördertöpfe öffnen. Der Rest soll durch eine Crowdfunding-Kampagne im Herbst finanziert werden. Bis Ende des Jahres muss zumindest das Dach erneuert werden, um so endgültig den Verfall zu stoppen. Möhlenkamp rechnet mit einer Bauzeit von zwei bis drei Jahren.

Durchdacht ist auch die spätere Nutzung des Gebäudes. Ohlsen und Engelmann haben bei den Kulturbetrieben und -vereinen mögliche Zusammenarbeit angefragt. Das kleine Kino Cine K würde für größere Veranstaltungen ins Globe umziehen und auch das alternative Theater Laboratorium und das Staatstheater zeigen Interesse. Ein Anbau könnte Platz für Chöre und Musikschule bieten.

Aber das Globe soll unbedingt ein Kino bleiben, auch wenn für die notwendige Digitalisierung 80.000 Euro aufgebracht werden müssen. Vor einigen Tagen war Ohlson auf dem Truppenübungsplatz Todendorf an der Ostsee, wo es noch ein kleines, allerdings komplett verfallendes Globe gibt. Dort versucht er die fünf Buchstaben des Namenszugs über dem Eingang zu ergattern, die in Oldenburg irgendwann einmal geklaut wurden.

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