Ausstellungsempfehlung für Berlin: Das Brot der frühen Jahre

Nico Ihlein kombiniert schimmernde Metallicfarben mit trockenem Brot – zu sehen in der Galerie Schiefe Zaehne. Die taz sprach mit dem Künstler.

Nico Ihlein, „Zeit mit Sarajevo“, 2017, Ausstellungsansicht Foto: Hannes Schmidt; Courtesy Nico Ihlein, Schiefe Zaehne

Metallicfarben werden aufgrund ihres attraktiven Schimmerns seit jeher in Kosmetik- und Automobilindustrie geschätzt und finden dort großzügigen Einsatz. In der bildenden Kunst hingegen behandelt man sie eher stiefmütterlich – zu groß erscheint die Gefahr, einen schmalen Grat zu überschreiten und in die sumpfigen Tiefen billiger Effekthascherei hinabzugleiten.

Wie es trotzdem gelingt, barocken Überschwang und die gebotene Askese miteinander zu versöhnen, kann man derzeit in Nico Ihleins Ausstellung „Zeit mit Sarajevo“ in der Galerie Schiefe Zaehne studieren.

Schiefe Zaehne

nach Vereinbarung: 0179/1204102

Bis 5. 8.,

Schliemannstr. 37

Mit dem vierteiligen Gemäldezyklus „A mystery of love rests in metal“ (alle aus 2017) verbindet der Berliner Künstler, einst Mitglied der Künstlergruppe „Honey-Suckle Company“, Bad-Painting-Ästhetik mit dem Charme einer lückenhaften Science-Fiction-Erzählung um einen zerstückelten, in Metallic-Blau gehaltenen Mensch-Maschinen-Körper, knallroten Anthurien und herbstlich durcheinanderwirbelndem Laub.

Die Bildfolge erscheint ihrerseits als Teil einer größeren Rauminstallation, welche Malerei, Keramik, Textil, Skulptur sowie verschiedene, auf den Straßen Berlins vorgefundene vertrocknete Brotsorten (Brötchen, Fladen-, Grau-, Schwarz- und Toastbrot) zusammenbringt.

Ihleins Gespür für Materialien, sein Sinn für Humor, Überraschungen und räumliche Verhältnisse öffnen sich zu einer verführerischen und verwirrenden Situation, die dazu einlädt, jede Art von zynischer Stumpfheit gegenüber dem Gezeigten abzustreifen. Ja, es stimmt: Von der Kunst derart umarmt und zugleich herausgefordert zu werden, ist ein schönes, seltsames Gefühl.

Einblick (682): Nico Ihlein, Künstler

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Nico Ihlein: Das war eine Kostüm- und Gewandausstellung im DHM. Ich fand ein paar sehr schöne und besondere Ausstellungsstücke. Belle-Époque-Mode interessiert mich besonders, und es war aufregend, diese Art von Kleidung in echt zu sehen.

Nico Ihlein ist 1972 in Neckars­ulm, Baden-Württemberg geboren. Seit 1992 lebt und arbeitet der Künstler in Berlin. Zuletzt nahm er an den Gruppenausstellungen „Authentizität“ in der Halle für Kunst Lüneburg, „Gefäße“ in der Galerie Cruise&Callas Berlin und „1.—3. Person singular / plural“ im Kunstverein Leipzig teil. Aktuell ist seine Einzelausstellung „Zeit mit Sarajevo“ in der Galerie Schiefe Zaehne zu sehen.

Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen?

Ich gehe mit Freunden in Clubs, die wissen dann, wohin, war mal bei DjPaypal das fand ich gut, aber letztendlich ist die Frage nicht zu beantworten. Ich tanze sehr gern, schlafe aber auch sehr gern. Meine Lieblingsbar ist die Alibi Bar im Wedding. Das letzte Konzert war von Konrad Sprenger und Phillip Sollmann. Die beiden habe eine Orgel gebaut, transient/ offen/ klein angelegt. So war auch das Konzert.

Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag?

Guardian online, Arts & Letters Daily, im Wartezimmer Spiegel, Stern, Geo und Gala, ich selbst habe keine Magazine bei mir zu Hause. Wenn ich die Ressourcen hätte, würde ich mir italienische Vogues aus den 70ern und 80ern kaufen, in Hamburg kann man sich die in der Bibliothek ausleihen.

Ich bin begeistert von Bibliotheken und Archiven. Das Domus der 60er bis 80er kann man in der Stabi ausleihen. Ich lese im Moment „HHhH“ von Laurent Binet, meine Familie hat unergründbare Verbindungen in die Tschechoslowakei, davor „All the pretty horses“.

Mein Lieblingsbuch ist „Vanity Fair“ von William M. Thackeray, das Buch der Snobs kommt noch, irgendwann. Alles Nächstes werde ich über Mesmerismus, animal magnetism, lesen und versuchen, das in Beziehung zu anderen Energietheorien zu setzen.

Was ist dein nächstes Projekt?

Assistenz beenden, Gefäße bzw. Vasen machen, meinen Keller wieder auffüllen, eine Werkstatt 50 Kilometer vor Berlin mit aufbauen und mal in den Urlaub fahren.

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?

Ein Morgen mit Sonne, frei bis 10 Uhr, die Menschen in Berlin.

Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz.

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