: Argentinien übernimmt die Solidarität
Protesttradition Luciana Ghiotto wird in Argentinien den Gegengipfel organisieren, wenn das Land 2018 das Treffen ausrichtet.
Aus Buenos Aires Jürgen Vogt
Ob Freihandelsabkommen gut oder schlecht sind, darüber müsse man in Argentinien nicht mehr diskutieren, sagt Luciana Ghiotto von Attac Argentinien. „Seit den Debatten über die gesamtamerikanische Freihandelszone FTAA/ALCA wissen wir, dass sie schlecht sind.“ Allerdings stünde die Debatte über die G20 noch ganz am Anfang. Nur noch wenige würden sich daran erinnern, dass Argentinien auf dem letzten G20-Treffen eine Reformierung der internationalen Finanzorganisationen anstoßen und den Konflikt mit den „Geierfonds“ einbringen wollte, jenen Hedgefonds, die vor Gericht erfolgreich auf die Tilgung von Schuldentiteln klagten.
„Bisher ist der G20 noch ein Thema für Spezialisten und Akademiker“, sagt Ghiotto kurz vor ihrem Abflug nach Hamburg. Doch das wird sich ändern. 2018 ist Argentinien Gastgeber des G20-Gipfels. Schon deshalb ist für sie das Treffen in Deutschland enorm wichtig. Denn nicht nur der offizielle Vorsitz der G20 wird übergeben. Der Alternativ-Gipfel für soziale Solidarität sei eine Errungenschaft und auch dessen organisatorische Kontinuität müsse gewährleistet werden, sagt Ghiotto. „Deshalb müssen auch die argentinischen sozialen Organisationen den Staffelstab übernehmen.“
Zum G20-Treffen nach Hamburg reist Ghiotto gemeinsam mit zwei MitstreiterInnen und einigen Gewerkschaftern. Sie werden mit Attac Deutschland, Brot für die Welt, dem Transnational Institute (TNI) und dem Institute for Policy Studies (IPS) einen Workshop veranstalten, bei dem es um die Kontinuität der Organisation im Vorfeld des G20-Gipfels in Argentinien gehen wird.
Seit dem Jahr 2000 engagiert sich die 39-Jährige bei Attac Argentinien und später auch in der Asamblea Argentina Mejor sin TLC (Versammlung Argentinien geht es besser ohne Freihandelsabkommen) für eine gerechtere Globalisierung und gegen die gesamtamerikanische Freihandelszone. 2005 hatte sie ein Erfolgserlebnis: Beim damaligen Amerikagipfel im argentinischen Mar del Plata war die von den USA propagierte gesamtamerikanische Freihandelszone vom argentinischen Präsidenten Néstor Kirchner, von Lula da Silva aus Brasilien und Hugo Chávez aus Venezuela in Anwesenheit von US-Präsident George W. Bush endgültig vom Tisch gewischt worden.
„Ja das war ein Erfolg, und zwar unter maßgeblicher Beteiligung der sozialen Bewegungen“, erinnert sie sich. Allerdings werde noch immer viel auf die USA geschimpft, während China mit seiner Investitionspolitik und seinen Handelsbedingungen äußerst aggressiv auf dem südamerikanischen Kontinent auftrete.
Ohnehin sei die Lage heute komplizierter. So gibt es unzählige multi- und bilaterale Abkommen, die noch in der Verhandlungsphase oder schon unterzeichnet sind. Und auch die Gegenbewegungen sind vielfältig. „In der Debatte prallen die widersprüchlichen Konzepte aufeinander: indigene, gewerkschaftliche oder umweltpolitische. Uns stellt sich immer die Frage: Wie können wir sie vernetzen oder gar integrieren?“
Vorerst konzentrieren sich die sozialen Bewegungen aber auf das Ministertreffen der Welthandelsorganisation WTO im Dezember in Buenos Aires.
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