: Erste Risse in der katalanischen Regierung
Spanien Der katalanische Regierungschef Puigdemont entlässt mehrere Minister, weil sie nicht voll hinter dem Referendum über die Unabhängigkeit stehen
Aus Madrid Reiner Wandler
Die Front bröckelt. Das Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens ist innerhalb der Autonomieregierung in Barcelona nicht so unumstritten, wie es bisher immer erschienen ist. Weniger als drei Monate vor dem geplanten Urnengang am kommenden 1. Oktober ersetzte der Chef der Autonomieregierung im spanischen Südosten, Carles Puigdemont, vor dem vergangenen Wochenende drei Minister. Ein weiteres Regierungsmitglied war bereits in der Woche zuvor entlassen worden.
Puidgedmont und sein Vizepräsident Oriol Junqueras wollen vor dem Referendum, das die Regierung in Madrid unter dem konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy um jeden Preis verhindern will, eine „Regierung ohne Risse“. Die drei Minister, die ihren Rücktritt einreichten und ersetzt wurden, sind Jordi Jané, Inneres, Meritxell Ruiz, Bildung sowie die Regierungssprecherin und Präsidentialamtsministerin Neus Munté. Alle drei waren bisher direkt mit der Organisation des Referendums befasst.
Wirtschaftsminister Jordi Baiget erklärte schon vor Wochenfrist in einem Zeitungsinterview, dass er nicht glaube, dass eine Volksabstimmung gegen den ausdrücklichen Willen Madrids möglich sei. Er wurde daraufhin von Puigdemont aus dem Amt entlassen. Der katalanische Regierungschef hatte Mitte der Woche im Parlament erklärt, er wolle eine Regierung, auf die er voll und ganz vertrauen könne. „Vertrauen hat nichts mit Ideologie und Meinungen zu tun. Ich habe Leute, denen ich vertraue, die anders denken als ich“, wies er nach der Entlassung Baigets den Vorwurf zurück, er würde ideologische Säuberungen durchführen.
Die katalanische Presse spricht davon, dass namhafte Mitglieder des regierenden Wahlbündnisses Gemeinsam für das Ja (JxS) rund um Puigdemont Angst hätten, den Weg zum Referendum bis zu Ende zu gehen. Denn Madrid hat angekündigt, alle für die Organisation der Volksbefragung direkt Verantwortlichen mit Prozessen zu überziehen. Es drohen das Verbot, sich zur Wahl zu stellen und öffentliche Ämter auszuüben, hohe Geld- und gar Haftstrafen. Mehrere Mitglieder der Regierung aus dem Jahre 2014 wurden Anfang des Jahres in erster Instanz verurteilt, weil sie am 9. November 2014 eine unverbindliche Volksbefragung über die Unabhängigkeit durchgeführt hatten. Das spanische Verfassungsgericht hatte diese Befragung zuvor untersagt.
Hinsichtlich des geplanten Referendums am 1. Oktober ermittelt das oberste Gericht in Katalonien wegen der Ausschreibung zum Ankauf von Wahlurnen. Zwar war die Ausschreibung ohne ernsthaftes Angebot zu Ende gegangen, dennoch stelle alleine der Versuch, Urnen zu kaufen ein Verstoß gegen die Verfassung und Urteile des Verfassungsgerichtes dar.
Jetzt wollen Vizepräsident Junqueras und der katalanische Außenminister Raül Romeva die Urnen für das Referendum kaufen. Die katalanische Regierung wird dazu einen Kabinettsbeschluss fassen. Die juristische Verantwortung soll kollektiv übernommen werden. Junqueras hatte sich geweigert, die Organisation des Referendums alleine zu übernehmen. Auch hier soll jetzt ein Weg gesucht werden, um die Verantwortung auf so viele Schultern wie möglich zu verteilen.
Die bisher veröffentlichten Umfragen zum Referendum sind widersprüchlich. In der Spanien weiten Presse liegen die Gegner der Unabhängigkeit Kataloniens vorn, in der katalanischen Presse die Befürworter. Die Wahlbeteiligung wird weit über 50 Prozent liegen, darin sind sich alle einig. Und mehr als 70 Prozent der Katalanen, egal welchem Lager sie angehören, wollen endlich abstimmen. Sie verlangen von Madrid ein zwischen beiden Seiten ausgehandeltes Referendum, wie das in Schottland der Fall war.
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