Kommentar von Jan Kahlcke über das G20-Desaster: Das Scheitern des Olaf Scholz
Überall ist gerade die Rede vom Gewaltmonopol, das der Staat durchsetzen müsse. Das ist richtig. Aber dieses Monopol ist kein Freifahrtschein, um alles durchzudrücken, wonach der Politik der Sinn steht. Gerade Hamburgs SPD, die sich in geradezu panischer Angst vor dem Volk sogar Olympische Spiele per Referendum absegnen lassen wollte, hätte wissen müssen, dass die Hamburger den G20-Gipfel nicht wollten – und zwar weit über die direkt betroffenen Wohnviertel hinaus. Weil er ähnliche Nachteile wie Olympia mit sich bringt, nur ohne den Spaß.
„So was muss in einer liberalen Großstadt möglich sein“, sagt Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Irrtum, muss es nicht. Eine Politshow, als deren zentrales Ergebnis in Erinnerung bleiben wird, wie der Despot Erdoğan aufs Pariser Klimaabkommen pinkelt, ist vollkommen unnötig. Und sie ist im Herzen einer Großstadt wie Hamburg auch nicht sicher durchführbar. Das haben die vergangenen Tage gezeigt.
Dass der Staat das Gewaltmonopol streckenweise völlig aufgegeben, ein ganzes Viertel den Politrandalierern und ihren Unterstützern im Partyvolk überlassen hat, wird am Ende eine einsatztaktische Fußnote bleiben. Dennoch wird die Versuchung groß sein, dafür Innensenator Andy Grote (SPD) zu feuern, der in Partei und Apparat wenig Rückhalt hat – ein Bauernopfer.
Viel gravierender ist, dass über Tage das Demonstrationsrecht immer wieder ausgehebelt wurde und schwere Übergriffe überforderter und übernächtigter Polizisten auch jenseits der Hotspots eher die Regel als die Ausnahme waren.
Scholz hat eine Sicherheitsgarantie für die Hamburger gegeben – und ist damit persönlich gescheitert. Dass der Mann, der die SPD zur Law-and-Order-Partei machen wollte, nun auch die Verantwortung übernimmt, ist wenig wahrscheinlich. Sein unsäglicher Vergleich des Gipfels mit dem Hafengeburtstag legt eher nahe, dass er unendlich zynisch oder völlig von der Realität abgekoppelt sein muss.
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