: Ohne UNO geht es nicht
UMVERTEILUNG Seitdem es sie gibt, scheitern die G 20 an der Steuerfrage, sagt George Turner vom Tax Justice Network. Die Folge sind Milliardenverluste
Von George Turner
Die G-20-Regierungschefs sich 2008 zum ersten Mal in Washington DC. Es ging um bessere Zusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden. 2009 haben sich die G 20 verpflichtet, das Bankgeheimnis zu beenden. 2013 haben die G-8-Staaten Steuern an die Spitze der Gipfel-Agenda gesetzt. Sie forderten Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung durch Privatpersonen und gegen Steuerumgehung durch multinationale Unternehmen mit sich. Genau dasselbe forderten im gleichen Jahr dann auch die G 20.
Herausgekommen ist bei all dem bislang kaum etwas. Obwohl das Thema seit Langem auf höchster Ebene verhandelt wird, kosten Steuerhinterziehung und Steuerumgehung die öffentlichen Haushalte bis heute jedes Jahr aufs Neue viele Milliarden Dollar. Den Schaden haben die, die auf funktionierende öffentliche Dienstleistungen angewiesen sind. Denn für sie ist deshalb nicht genug Geld da.
Nach der jüngsten Untersuchung meiner Kollegen Alex Cobham vom Tax Justice Network und Petr Jansky von der Karls-Universität in Prag kostet allein die Steuervermeidung multinationaler Unternehmen die öffentlichen Kassen 500 Milliarden Dollar pro Jahr. Der Internationale Währungsfonds schätzt den Schaden sogar auf 600 Milliarden Dollar. Im Juni dieses Jahres erschien ein Bericht, mit dem die Britischen Jungferninseln sich selbst als Finanzplatz empfehlen wollten. Dadurch kam heraus, dass allein auf diesen kleinen karibischen Inseln derzeit 1,5 Billionen Dollar Vermögen geparkt sind – doppelt so viel, wie bisher angenommen.
Dabei gibt es einige Fortschritte. Vor zehn Jahren, als das Tax Justice Network Maßnahmen wie die Länderfinanzberichterstattung für multinationale Unternehmen und den automatischen Austausch von Bank- und Vermögensinformationen zwischen den Steuerbehörden vorschlug, wurde dies als Utopie abgetan. Jetzt sind diese Maßnahmen – langsam – auf dem Weg zu ihrer Verwirklichung.
Experte für Steueroasen, ist Forscher bei dem in London ansässigen Tax Justice Network, einem internationalen Netzwerk, das Steuerflucht bekämpft. Außerdem leitet Turner die Rechercheabteilung bei der NGO Finance Uncovered.
Das genügt aber nicht. Denn unsere Steuersysteme aber stammen aus einer vergangenen Zeit, als der größte Teil wirtschaftlicher Aktivitäten im Inland ablief. Steuerbehörden behandeln Unternehmen deshalb bis heute nicht als globale Akteure mit globalen Lieferketten, sondern wie eine Gruppe von nationalen Unternehmen, die lediglich durch eine Zentrale verbunden sind. Dadurch ist Steuerumgehung für sie ein Leichtes.
Heute, in einer Welt der globalen, multinationalen Unternehmen, von denen viele einen Umsatz haben, der größer ist als die Wirtschaftsleistung einiger der Länder, in denen sie tätig sind, ist dieses System am Ende. Wir können es nicht reparieren, sondern müssen es komplett verändern.
Multinationale Unternehmen handeln als einzelne Unternehmen. Und genauso müssen Steuerbehörden sie deshalb auch behandeln. Ihre Gewinne müssen als Besteuerungsgrundlage zwischen den Ländern aufgeteilt werden, in denen ihre reale Wirtschaftstätigkeit stattfindet. Das ist ein hochpolitisches Thema, wie zuletzt die Streitigkeiten zwischen den USA und der EU über die Geschäfte der US-Technologiebranche zeigen. Schließlich muss geklärt werden, in welchem Verhältnis die Gewinne der multinationalen Unternehmen zwischen den Ländern aufgeteilt werden sollten.
Bis heute gibt es kein Forum, keine Institution, die diese Aufgabe im Detail erfüllen könnte. Das gilt auch für die G 8 und die G 20. Zu selten treffen sie sich, zu überfrachtet ist ihre Agenda, als dass sie in solchen Fragen einen Konsens finden könnten. Hinzu kommt: Die meisten konkreten Aufgaben haben sie an die OSZE delegiert, eine Institution, die keine internationale demokratische Legitimität hat und von den Interessen einer kleinen Gruppe wohlhabender Nationen dominiert wird.
Zweimal hat die OSZE in den vergangenen Jahren erklärt, dass die Zeit der Steueroasen vorbei sei. Zuletzt meldete sie sich in der Steuerfrage mit einer geradezu absurden Behauptung zu Wort: Ihr Bericht zur Umsetzung globaler Transparenzstandards nennt nur eine einzige Nation, nämlich Trinidad und Tobago, die die internationalen Standards für den Steuer-Informationsaustausch nicht erfüllt. Die Wahrheit ist jedoch, dass die Anforderungen, die die OSZE für diese Transparenz ansetzt, derart niedrig sind, dass es völlig egal ist, ob sie erfüllt werden oder nicht.
Die UNO hat Organisationen für alle möglichen Fragen. Was ihr aber fehlt, ist eine Agentur, die die Steuern im Blick hat. Für ein Steuersystem, das für das 21. Jahrhundert geeignet ist, braucht es einen globalen Konsens. Gelegentliche Erklärungen der G 20 reichen nicht. Es braucht eine globale politische Institution. Nur so kann die internationale Gemeinschaft den Kampf gegen Steuerhinterziehung und -umgehung wirksam führen. Und nur so kann sie dabei helfen, dass Staaten die Mittel bekommen, die sie brauchen, um Gesundheitsversorgung, internationale Entwicklung und Umweltschutz zu bezahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen