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Keine Bühne für Erdoğan

SCHWIERIGE BEZIEHUNG Im Rahmen seines Deutschland-Besuchs zum G-20-Gipfel wollte der türkische Präsident auch vor seinen Anhängern sprechen. Die Bundesregierung hat es ihm nun verboten

von Tobias Schulze und Ali Çelikkan

BERLIN taz | Zwei Tage vor dem Auftrittsverbot waren Erdoğans Leute noch optimistisch. Ein Vertreter der UETD, einer Lobbyorganisation der türkischen Regierungspartei AKP in Europa, berichtete der taz am Dienstag von Vorbereitungen für eine Rede des türkischen Präsidenten am Rande des G-20-Gipfels in Deutschland.

Wo der Präsident auftreten wollte, sagte der hochrangige Funktionär nicht. Nur so viel: In Hamburg werde er sicher nicht reden – dort seien zu viele PKK-Anhänger unterwegs. Der Westen, Köln oder Umgebung, werde es wohl auch nicht. „Wenn es stattfindet, dann wird es in der Nähe von Hannover sein“, sagte der UETD-Mann, der anonym bleiben wollte. „Wir sind da hoffnungsvoll.“

Umsonst gehofft. Die Bundesregierung untersagt Präsident Recep Tayyip Erdoğan, während seiner Deutschlandreise in der kommenden Woche vor AKP-Anhängern aufzutreten. Das hat Außenminister Sigmar Gabriel nun am Donnerstagvormittag verkündet: „Wir teilen der Türkei mit, dass wir der Überzeugung sind, dass ein solcher Auftritt in Deutschland nicht möglich ist“, erklärte er. „Es ist eine Abwägung der außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik. Und die sind hier sehr eindeutig.“

Die Entscheidung könnte in der deutsch-türkischen Problembeziehung den nächsten großen Krach auslösen – auch wenn sich die Bundesregierung sogleich um Schadensbegrenzung bemühte. Gabriel selbst wollte das Verbot nicht als anti-türkische Maßnahme gelten lassen: Für die Zukunft sei er generell dagegen, Regierungschefs aus Nicht-EU-Staaten kurz vor Wahlen in Deutschland auftreten zu lassen, sagte er.

Kanzlerin Angela Merkel verkündete zwar kurz darauf ihre Unterstützung für Gabriels Vorstoß, tat das aber nicht während ihrer Regierungserklärung im Bundestag, sondern ganz leise über eine Mitteilung ihres Pressesprechers.

Dabei ist das Verbot des Erdoğan-Auftritts keine Routine, sondern eine Kehrtwende. Im vergangenen Jahr gab es um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland immer wieder Streit. Verbote sprachen bisher aber nur Kommunen und Länder aus – über Umwege. Der Bürgermeister der Gemeinde Gaggenau untersagte im März eine Veranstaltung von Justizminister Bekir Bozdağ kurzfristig, weil der Parkplatz vor der Halle für den befürchteten Ansturm zu klein gewesen sei.

Die Bundesregierung selbst hatte Auftritte türkischer Politiker bisher nicht verboten. Dabei wäre sie rechtlich dazu in der Lage gewesen. Das stellte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalens im vergangenen Jahr in einem Urteil klar, das das Bundesverfassungsgericht kurz darauf in einer Eilentscheidung bestätigte. Hintergrund dieser Entscheidung war eine geplante Videoschalte Erdoğans zu einer Demonstration in Köln, die die örtliche Polizei verboten hatte.

Die Versammlungsfreiheit, die das Grundgesetz vorsieht, gelte in erster Linie für einfache Bürger, urteilten die Richter damals. Sie sei aber „kein Instrument dafür, ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern ein Forum zu eröffnen, sich im Bundesgebiet in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger amtlich zu politischen Fragestellungen zu äußern“. Über Auftritte von Erdoğan und Co in Deutschland zu entscheiden, sei deshalb eine außenpolitische Angelegenheit und „Sache des Bundes“.

Erdoğan und andere Staatschefs müssen Auftritte also beim Außenministerium beantragen. Die Bundesregierung kann solche Anträge ablehnen.

Dass sie diese Möglichkeit dieses Mal nutzt, könnte mit dem Wahlkampf zu tun haben. Schon am Mittwoch meldete sich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zum Thema zu Wort. Erdoğan dürfe in Deutschland „keine Bühne für Hetzreden“ bekommen, sagte er der Bild-Zeitung.

Eine Reaktion auf das Verbot gab es aus Ankara zunächst nicht. Dafür aber einen Kommentar zur Schulz-Forderung am Vortag: „Wir verurteilen die inakzeptablen Äußerungen dieser Person über unseren Präsidenten aufs Schärfe“, hieß es am Donnerstag in einer Mitteilung des türkischen Außenministeriums.

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