Justiz in der Ukraine: Kritischer Journalist in U-Haft

Der Chefredakteur und Inhaber des Internetportals strana.ua Igor Guschwa soll einen Abgeordneten erpresst haben. Er bestreitet die Vorwürfe.

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Präsident Petro Poroschenko feiert am 6. Juni die Einführung der Visa-Freiheit für die Schengen-Staaten. Doch innenpolitisch hapert es in vielen Bereichen noch gewaltig Foto: ap

KIEW taz | Igor Guschwa, einer der bekanntesten regierungskritischen Journalisten in der Ukraine, sitzt seit mehreren Tagen in Kiew in Untersuchungshaft. Am vergangenen Donnerstagabend stürmten bewaffnete Polizisten die Redaktionsräume des Internetportals strana.ua. Nach einer Hausdurchsuchung bis in die frühen Morgenstunden wurde der Chefredakteur und Inhaber von strana.ua, Igor Guschwa, festgenommen.

Sofort nach Bekanntwerden der Festnahme übernahm Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko die Verantwortung. Man habe den Journalisten in Haft genommen, weil dieser den Abgeordneten der Radikalen Partei, Dmitrij Linko, erpresst habe, so Luzenko. So habe Guschwa dem Abgeordneten zugesagt, gegen einen Betrag von 10.000 Dollar für den Politiker kompromittierendes Material unter Verschluss zu halten. Linko bestätigte wenig später gegenüber der ukrainischen Nachrichtenagentur Interfax.ua, dass Guschwa von ihm Geld gefordert habe.

Guschwa bestreitet diese Darstellung. Tatsächlich sei es andersherum gewesen: Man habe ihm aus Kreisen der Radikalen Partei 20.000 Dollar für die Nichtveröffentlichung von Materialien angeboten, die sich schädigend auf das Image der Radikalen Partei auswirken könnten. Er habe abgelehnt.

Am Samstag ordnete ein Kiewer Gericht eine zweimonatige Untersuchungshaft für den Journalisten an. Allerdings könne er gegen eine Zahlung von 19.000 Euro auf freien Fuß gesetzt werden, so das Gericht. Man werde bald die geforderte Kautionssumme zahlen, erklärte Guschwas Anwältin, die frühere Justizministerin Elena Lukasch.

Redefreiheit eingeschränkt

Ukrainische Kollegen des umstrittenen Redakteurs zeigten sich empört über die Festnahme. Er könne sich keinen Staat vorstellen, in dem die Polizei Redaktionsräume stürme, erklärte der Soziologe Juri Gawriletschko in der Tageszeitung Vesti.

Auch Sergej Tomilenko, Vorsitzender der Nationalen Journalistenunion der Ukraine, kritisierte die Hausdurchsuchung. Diese beunruhige nicht nur ihn, sondern auch ausländische Partnerorganisationen.

Der Blogger Michail Tschaplyg sieht in der Festnahme von Guschwa eine weitere Einschränkung der Redefreiheit. „Heute applaudierst du, wenn sie deinem Gegner das Wort verbieten. Wundere dich nicht, wenn du morgen dran bist.“

Mit der Verhaftung von Igor Guschwa steht nun ein Mann im Rampenlicht, dessen journalistischer Werdegang eine Erfolgsgeschichte ist. Der in Slawjansk im Gebiet Donezk geborene 43-Jährige, der mehrere Jahre in Moskau gearbeitet hatte, hat es immer wieder geschafft, aus wenig bekannten Medien Zugpferde zu machen. Unter Chefredakteur Igor Guschwa war die bis dahin kaum bekannte Tageszeitung Segodnja nach 2004 zu einem der bekanntesten Blätter des Landes aufgestiegen.

In den Top Ten

Die von Guschwa gegründete Tageszeitung Vesti erreichte 2013 in kurzer Zeit Auflagenhöhen von über 370.000 Exemplaren. Auch das 2016 gegründete Internetportal strana.ua gelangte in nur wenigen Monaten in die Top Ten der ukrainischen Internetportale.

Doch Guschwa, der 2015 auf der Liste des Oppositionsblockes, einer Nachfolgepartei von Expräsident Viktor Janukowitschs Partei der Regionen kandidiert hatte, spielt nicht mit offenen Karten. Es ist sein Geheimnis, woher er das Geld für seine Medienprojekte hat.

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