: Wenn alles nur schlimmer wird
Kosovo Die Bildung einer tragfähigen Regierung in Prishtina ist schwierig. Tief sitzen die Feindschaften. Und zu verteilen haben die Parteien im Lande ohnehin nichts mehr
Aus Prishtina Erich Rathfelder
So richtig glücklich ist wohl niemand im Kosovo mit dem Ergebnis der vorgezogenen Wahlen vom Sonntag. Denn mit diesem Ergebnis ist es sehr schwierig, eine stabile Regierung zu bilden. Das Parteienbündnis der ehemaliger Kommandeure der Befreiungsorganisation UÇK hat die Parlamentswahl zwar gewonnen. Das Bündnis erreichte rund 33 Prozent der Stimmen – die endgültigen Wahlergebnisse werden erst am Mittwoch bekanntgegeben.
Eigentlicher Wahlsieger ist die Bewegung für Selbstbestimmung (Vetëvendosje), die ihren Stimmenanteil auf 27 Prozent verdoppeln konnte. Erst an dritter Stelle liegt mit knapp 25 Prozent das konservative Bündnis von Ministerpräsident Isa Mustafa. Bei der serbischen Minderheit hat sich die Serbische Liste mit großer Mehrheit durchgesetzt. Sie wird künftig rund 15 Sitze besetzen.
Um die 120 Sitze hatten sich Kandidaten von 19 Parteien, fünf Koalitionen und zwei Bürgerinitiativen beworben. 20 Parlamentssitze sind für Serben und andere Minderheiten reserviert. Die Wahlbeteiligung lag mit rund 42 Prozent extrem niedrig. Dennoch sprach der Spitzenkandidat des aus drei Parteien gebildeten Bündnisses der Exkommandeure, Ramush Haradinaj, von einem überzeugenden Sieg. Der aus Westkosovo stammende Führer der AAK soll jetzt Ministerpräsident werden. Die stärkste Partei des Bündnisses, die Demokratische Partei (PdK), die lange Jahre vom jetzigen Präsidenten des Landes, Hashim Thaci, geführt wurde, hatte im Vorfeld der Wahlen Haradinaj den Vortritt gegeben, obwohl die AAK bei den letzten Wahlen nicht einmal 10 Prozent der Stimmen erreicht hatte.
Schon einmal Ministerpräsident des Landes, musste Haradinaj 2005 zurücktreten und sich vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten. Er wurde zwar in erster Instanz 2008 und im Revisionsverfahren 2012 vom Tribunal in Den Haag freigesprochen. Doch weil einige Zeugen plötzlich verstarben oder die Aussage verweigerten, ist der eloquent auftretende und mehrsprachige Haradinaj auch im Kosovo umstritten.
Der wirkliche Wahlsieger der Wahlen vom Sonntag heißt Albin Kurti, der Vorsitzende der Bewegung für Selbstbestimmung (Vetëvendosje). Der fälschlicherweise als Nationalist diffamierte ehemalige Studentenführer und seine Partei konnten vor allem junge Wähler überzeugen. Manche Wahlbeobachter hatten sogar mit mehr Stimmen für Vetëvendosje gerechnet. „Uns ist es zwar noch nicht gelungen, alle jungen Leute, die mit uns sympathisieren, an die Wahlurnen zu bringen, doch wir sind nun die zweitstärkste Partei“, hieß es aus ihrem Hauptquartier.
Die dritte Gruppierung, die von der Demokratischen Liga des Kosovo (LDK) angeführt wird, muss sich mit ihren Bündnispartnern jetzt mit dem dritten Platz begnügen. Expremier Isa Mustafa kann aber darauf hoffen, dass seine Partei bei der Regierungsbildung nicht übergangen werden kann.
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