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Ingo Arzt über den Zinsentscheid der EZBDinner for Draghi

Sie hat etwas von „Dinner for One“, die Politik der Europäischen Zentralbank. Jeden Monat tagt der Rat der Bank, die Finanzwelt fragt sich: Ist’s jetzt mal vorbei mit der Geldflut? Und jeden Monat zuckt Mario Draghi mit den Schultern und sagt: Same procedure. Nö.

In einer Sache hat der Obereurochef recht. Die EZB reagiert nicht auf Kritik, weder von innen noch außen, vor allem nicht aus Deutschland, und stärkt damit das höchste Gut, das eine Zentralbank hat: ihre Unabhängigkeit.

Das wäre es dann aber auch schon an Positivem. Die Grundfrage ist ja, ob niedrige Zinsen und Geldflut ökonomisch vernünftig und moralisch gerechtfertigt sind. Über das Erste lässt sich trefflich streiten. Der deutsche Sparer wird oft bemüht, erst diese Woche beklagte die FAZ wieder, dass ebenjenem seit 2010 344 Milliarden Euro entgangen seien. Da wird wieder einmal das hierzulande gerne hochgehaltene Bild des von Europa abgezockten Deutschen bemüht, das in diesem Fall besonders schräg ist – Gerüchten zufolge gibt es auch Spanier, Griechen und Italiener, die Geld auf ihrem Konto haben und unter niedrigen Zinsen leiden.

Dass die EZB die Zinsen vor allem zu dem Zweck bei null hält, die Wirtschaft in Italien nicht über den Jordan zu schicken, ist richtig – aber davon profitiert der deutsche Staatshaushalt ebenso wie die Italiener. Nein, die Deutschen sollten aufhören, so zu tun, als mache die EZB Politik ­gegen sie. Nullzinsen sind ein Kapitalismusexperiment, das in allen Euroländern neue Gewinner und neue Verlierer produziert.

Damit haben auch alle Länder das gleiche Problem: Europa wächst, die Wirtschaft erholt sich, die EZB drosselt die Geldzufuhr trotzdem nicht. Man kann nur hoffen, dass die Blasen, die sie damit erzeugt – bei Immobilien, auf Aktienmärkten – nicht unmittelbar vor dem Platzen stehen. Denn käme es zu einer erneuten Finanzkrise, die EZB wäre machtlos. Und der Euro womöglich verloren.

Wirtschaft + Umwelt

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