: Exkursion zur versteckten Hälfte
FILM Eine Filmreihe im Hackesche Höfe Kino widmet sich ausschließlich den Regisseurinnen des iranischen Kinos – zu sehen ist unter anderem die Fereshteh-Trilogie der feministischen Regisseurin Tahmineh Milani
von Fabian Tietke
Der Iran ist eines der Länder im Nahen Osten mit dem höchsten Frauenanteil im Regiefach, doch anders als ihre männlichen Kollegen sind sie weniger auf Festivals vertreten und ihre Werke werden kaum wahrgenommen. Für den Verein Better Place Cinema hat der Filmkritiker Frédéric Jaeger nun eine Filmreihe zusammengestellt, die sich ganz dem Werk der Regisseurinnen des iranischen Kinos widmet.
In 14 Filmen verfolgen die Iranischen Frauenfilmtage die Traditionslinien weiblicher Filmproduktion aus der Gegenwart zurück bis in die 1990er Jahre. Die drei aktuellsten Filme stammen von Marjan Ashrafizadeh, Nahid Hassanzadeh und Faezeh Azizkhani – alle drei Familienfilme, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weisen. Der Eröffnungsfilm „For a Rainy Day“ von Faezeh Azizkhani ist ganz von den Schrullen der Mutter der Filmemacherin getragen, die sich seit einem Traum in den Kopf gesetzt hat, dass sie bald sterben muss. Prompt setzt die Mutter alle Räder in Bewegung, um alles fertig zu haben, bevor sie von ihrem vermeintlichen Schicksal ereilt wird. „For a Rainy Day“ entstand unter der Mentorenschaft des im vergangenen Jahr verstorbenen Abbas Kiarostami.
Der Anlage nach ist Marjan Ashrafizadehs Debütfilm „The Sis“ nicht unähnlich: Auch Atis Mutter Tala macht sich angesichts ihrer schwindenden Gesundheit daran, für die Zeit nach ihrem Tod vorzusorgen. Auch um ihre Tochter macht sie sich ein wenig Sorgen, nur um festzustellen, dass es dazu gar keinen Anlass gibt.
Während „For a Rainy Day“ und „The Sis“ absurd-komödiantische Elemente in ihre Handlung integrieren, ist Nahid Hassanzadehs Debütfilm „Another Time“ ein dramatisch-realistischer Blick auf die Lebenswirklichkeit von Frauen im Iran. Somayeh, die Tochter eines Chemiearbeiters in der iranischen Provinz, bekommt ein Kind, während der Vater wegen Protesten gegen Nichtzahlung von Löhnen im Gefängnis sitzt.
Den Namen des Vaters will Somayeh nicht verraten. Als die Freilassung des Vaters ansteht, nimmt Somayehs Mutter das kleine Kind und will es aussetzen. „Another Time“ ist ein düsterer Film über patriarchale Wertvorstellungen, geprägt von grau-diesigen Bilder, in die die nasse Kälte des Wetters in der iranischen Provinz eingesogen zu sein scheint.
Einen Schwerpunkt legen die iranischen Frauenfilmtage auf das Werk von Tahmineh Milani. Milani ist eine der wenigen offen feministischen Regisseurinnen des Iran. Gezeigt werden alle drei Teile der Fereshteh-Trilogie. Im Zentrum aller drei Filme steht eine Frau namens Fereshteh. Doch jeder der drei Filme erzählt mit dieser Figur unterschiedliche Episoden aus dem Leben einer Frau im Iran. Gespielt wird Fereshteh jeweils von der Schauspielerin und Regisseurin Niki Karimi. Milanis „Two Women“ von 1998 wirkt bedrückend aktuell. Weil sie von einem Mann bedroht wird, zwingt der Vater der jungen Fereshteh sie, inmitten der Wirren um die Universitäten nach der Islamischen Revolution von 1979 ihr Architekturstudium in Teheran abzubrechen. Ihre Kommilitonin Roya kann ihr Leben hingegen weiterleben. Nach 13 Jahren kreuzen sich die Wege der beiden Frauen erneut.
Der zweite Film der Trilogie „The Hidden Half“ brachte die Regisseurin nach der Uraufführung ins Gefängnis, zeitweilig unter Androhung der Todesstrafe. Deutlicher noch als in „Two Women“ nahm sich „The Hidden Half“ dem Tabu der Wirren der Islamischen Revolution an. In einem Notizbuch erzählt Fereshteh ihrem Mann ihre Lebensgeschichte, die in eine Reihe von Rückblenden übersetzt wird. Als Studentin gehörte Fereshteh einer kommunistischen Kleingruppe an der Teheraner Universität an, die zunehmend der Gewalt islamischer Gruppierungen ausgesetzt ist. Zugleich beichtet Fereshteh ihrem Mann die Liebe zu einem Intellektuellen in jenen Jahren.
In „The Fifth Reaction“, dem letzten Teil der Trilogie, kämpft Fereshteh unterstützt von einer Gruppe befreundeter Feministinnen dagegen, dass ihr Schwiegervater ihr ihre Söhne wegnehmen will. Die iranischen Frauenfilmtage lenken den Blick auf das selten gezeigte Werk der Regisseurinnen des iranischen Kinos. Eine Einladung zu einer Exkursion jenseits der ausgetretenen Pfade.
Iranische Frauenfilmtage 1.–5. 6., Hackesche Höfe Kino
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