Der Berliner Wochenkommentar II: Die alte Dame Hertha hat sich verzockt

Dem Verein fiel auf, dass das alte Stadion doch modernisierbar ist. Unserer Autorin befürchtet, dass nun die nächste Großbaustelle droht.

Olympiastadion beim Hertha-Spiel

Soll neu- oder umgebaut werden: das Berliner Olympiastadion Foto: dpa

Alles neu macht manchmal der Mai, aber nicht in Berlin, jedenfalls keine neuen Stadien. „Überraschend“ (Hertha-Präsident Gegenbauer) ist ein Umbau des alten Olympiastadions plötzlich doch möglich, und ein neues Stadion für Hertha schon Geschichte, bevor es gebaut wurde. Warum?

Offiziell, weil dem Verein jetzt auffiel, dass das alte Stadion doch modernisierbar ist. Hätte man das bei all den Studien ahnen können. Inoffiziell eher so: Die alte Dame Hertha hat sich verzockt. Entweder ein neues Stadion im Olympiapark oder wir gehen nach Ludwigsfelde, so war Herthas Argumentation gegenüber dem Senat. Eigentlich nicht so schlecht gedacht: Mama, wenn du mir keine Süßigkeiten bezahlst, geh ich zu Oma und die kauft sie eh. Die Mehrheit der Hertha-Fans aber lief gegen Ludwigsfelde Sturm, und ohne Druckmittel halt kein Druck.

Jetzt also preisen Hertha und der Senat eine Kompromisslösung an, die eigentlich keiner will und die auch nie sinnvoll war. Die Tartanbahn im Olympiastadion soll weg und die Ränge sollen steiler werden – an der grundsätzlichen Optik darf aber aus Denkmalschutzgründen nichts getan werden.

Moderner wird das Stadion damit kaum und gemütlicher auch nicht. Es soll weiter eine Kapazität von bis zu 70.000 haben, viel zu groß für Hertha. Irgendwann fiel noch auf, dass man die Leichtathletik vergessen hatte, die ohne Tartanbahn keine Chance mehr auf Großveranstaltungen hat. Jetzt ist von absenkbaren Tartanbahnen die Rede. 150 Millionen soll das alles kosten, auch mit Steuergeldern. Dazu kommen Ausgaben für ein, ja, wirklich, extra gebautes Übergangsstadion (angeblich 50 Millionen) und eine mögliche neue Leichtathletikstätte. Eine schlecht durchdachte Großbaustelle droht. Ob der Umbau überhaupt mehr Publikum bewirkt, weiß niemand. Und all das für einen Preis, der wohl absurderweise den eines neuen Stadions übersteigt. Ein Neubau hätte 200 Millionen gekostet. Privat finanziert.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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