Krieg in Syrien

Laut UN werden in Syrien Menschen strukturell gefoltert und getötet. Einige, die flüchten konnten, hoffen nun auf Gerechtigkeit

Ein wichtiger Fall von Weltrecht

Grenzenlos Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch ermöglicht in gewissen Fällen Strafverfolgung ohne deutsche Täter, deutsche Opfer und deutschen Tatort

Die Geltung des Weltrechtsprinzips war eine Entscheidung des deutschen Gesetzgebers

KARLSRUHE taz | Die Strafanzeigen gegen syrische Folterer stützen sich auf das deutsche Völkerstrafgesetzbuch (VStGB). Dieses Gesetz wurde 2002 im Bundestag einstimmig beschlossen, ist also kein spezifisch rot-grünes Gesetz.

Es ermöglicht der deutschen Justiz, schwere Staatskriminalität zu verfolgen, auch wenn sie keinerlei Bezug zu Deutschland hat. Der Tatort kann im Ausland liegen, weder Täter noch Opfer müssen Deutsche sein. Das VStGB ist daher ein wichtiger Anwendungsfall des sogenannten Weltrechtsprinzips. Konkret geht es um die drei Delikte Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Bei Völkermord galt das Weltrechtsprinzip in Deutschland auch schon vor 2002.

Das deutsche Gesetz entstand parallel zur Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag. Dieser ist keine Einrichtung der UNO, sondern wird von rund 120 Vertragsstaaten getragen, die das „römische Statut“ ratifiziert haben. Auch der IStGH ist für die Verfolgung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zuständig, soweit Vertragsstaaten betroffen sind und die Justiz vor Ort unfähig oder unwillig ist.

Das römische Statut verpflichtet Deutschland nur, eigene Staatsbürger wegen der drei Arten von Staatsverbrechen zu verfolgen. Dass im VStGB darüber hinaus das Weltrechtsprinzip gilt, war eine politische Entscheidung des deutschen Gesetzgebers. Das deutsche Gesetz galt bei seiner Entstehung als das schärfste vergleichbare Gesetz weltweit.

Dennoch kam es seither nur ganz vereinzelt zu Ermittlungsverfahren, Anklagen oder gar Urteilen nach dem VStGB. Und das liegt vor allem an einer ebenfalls 2002 beschlossenen Vorschrift in der Strafprozessordnung. Danach kann der Generalbundesanwalt von Ermittlungen absehen, „wenn sich der Beschuldigte nicht im Inland aufhält und ein solcher Aufenthalt auch nicht zu erwarten ist“ (153f). So sollte verhindert werden, dass die Bundesanwaltschaft in diesem Feld vor allem mit symbolischen Ermittlungsverfahren beschäftigt ist. Daran werden wohl auch die Strafanzeigen gegen die syrischen Folterer scheitern.

Zu vielen internationalen Konflikten legt die Bundesanwaltschaft – mit oder ohne Strafanzeige – nur sogenannte Beobachtungsvorgänge an. Sie sammelt dabei Zeitungsausschnitte, offizielle Berichte und Eingaben von NGOs. Zum syrischen Bürgerkrieg besteht bereits ein so genanntes Strukturverfahren, also ein Ermittlungsverfahren ohne konkrete Beschuldigte.

Christian Rath