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Volksbühnen-Chef stellt Programm vorDercons erster Akt

Wie viel Theater steckt in dieser Kunst? Im Flughafen Tempelhof stellten Volksbühnen-Chef Chris Dercon und sein Team das Programm ab September vor.

Große Namen, doch was steckt dahinter? Chris Dercon bei der Vorstellung des Volksbühnen-Programms Foto: dpa

Wenn es um die Berliner Volksbühne geht und ihren neuen Intendanten Chris Dercon, liegt Skepsis in der Luft. Seit Dercon im Frühjahr 2015 vom Bürgermeister Michael Müller und dem Kulturstaatssekretär Tim Renner als Nachfolger von Frank Castorf bekannt gegeben wurde, hat sich die Kritik an dieser Entscheidung und an dem Verlust der Volksbühne, wie man sie bisher kannte, vielfach an der Person des Kunsthistorikers und Kurators Dercon festgemacht.

Diese Geschichte, der Blick auf ihn, das läge nun hoffentlich hinter ihm, jetzt gehe es endlich um Inhalte. So begann Dercon gestern die erste Pressekonferenz, in der er mit einem sechsköpfigen Team von KünstlerInnen und ProgrammdirektorInnen vorstellte, was sie von September 2017 bis Januar 2018 geplant haben.

Rund 120 JournalistInnen waren nach Tempelhof gekommen, in den Saal des ehemaligen Flughafen-Restaurants. Der Ort war programmatisch gewählt, denn Tempelhof soll zu einer neuen Spielstätte der Volksbühne werden. Der Choreograf Boris Charmatz wird hier am 10. September mit „Fous de danse – Ganz Berlin tanzt auf Tempelhof“, die Eröffnung übernehmen.

Viel wurde von und über beteiligte Künstler erzählt, 16 Premieren, neue Programmschienen im Roten und Grünen Salon vorgestellt. Der Performer Tino Sehgal wird das Volksbühnenhaus in allen Räumen eröffnen. Neben klassischen Einaktern von Samuel Beckett werden in Tempelhof syrische Darstellerinnen, die mit den Geflüchteten gekommen sind, in „Iphigenie“ spielen.

Kate Tempest, erzählte Christian Morin, der weiter das Musikprogramm kuratieren wird, entwickelt für dort eine Orchester- und Chorfassung ihres dramatischen Albums „Let them Eat Chaos“. Mette Ingvartsen setzt ihre choreografische Serie „Red Pieces“, in der sie Sexualität und Pornografie untersucht, mit neuen Stücken an der Volksbühne fort. Der Filmregisseur Apichatpong Weerasethakul entwickelt im „Fever Room“ eine Performance über das Schlafen und die Nacht.

Gute Künstler, gewiss, inter­essante Formate, aber trotzdem lag etwas von Unwirklichkeit über diesem Pressetermin. Bei den Inhalten ist man noch längst nicht angekommen. Wollte man Premieren zählen? Oder doch noch etwas von der Empörung und Ablehnung spüren, die Dercon entgegengeschlagen war und der er manchmal auch arrogant begegnet war?

Wie viel Theater wird es denn noch unter diesem Kunstmann geben? Wenig, ist der Verdacht der Dercon-Gegner, und wenn er von Michael Schmidt, einem wichtigen Berliner Fotografen redet, dessen Zyklus „Waffenruhe“ im Februar 2018 groß auf die Fassade projiziert wird, sehen sie sich bestätigt. Zwar sind 120 Schauspieler in den Projekten der ersten Spielzeit eingebunden, doch namentlich wurden sie erst erwähnt, als es um ein Internettheaterformat ging. Und vom Aufbau eines Ensembles ist man noch weit entfernt.

Warum haben sie daran nicht mehr gearbeitet, wenn es ihnen doch, wie Marietta Piepenbrock versicherte, so wichtig sei? Erst bei dieser Frage, am Ende der Konferenz, verlor die Programmdirektorin etwas die Fassung. Mit so viel Gegenwind, in den Feuilletons, aus dem Haus, zuletzt durch den neuen Kultursenator Klaus Lederer, sei die Vorbereitung auch nicht einfach gewesen, viele Künstler verunsichert, verteidigte sie sich. Den Blick in die Zukunft zu richten und nicht zu hadern mit der Geschichte des Misstrauens bleibt eine große Anstrengung.

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1 Kommentar

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  • Man muss sich nur mal das Video von Dercon durch die Nacht mit Lilienthal anschauen, um zu verstehen, warum die Volksbühne so aggro auf Dercon ist. Der Mann hat überhaupt kein Verständnis von "Volk", und ist in diesem schleimigen Artsy-Upperclass Talk so drin, dass er das selbst nicht mehr versteht, was er da für eine Sache hinlobt. Das ist so wie wenn man einen Versicherungsvertreter einen Ökobauernhof übernehmen lässt.

     

    Es fehlt nicht am Herumgeschleime. Es fehlt die Substanz. Das Profil. Der Stall. Was Dercons Programm ist eine Simon-Dachisierung des Theaters. Allein, dass der Berliner Steuerzahler für fremdsprachigen Kram aufkommen soll, so als sei die Volksbühne nie international gewesen, aber bei Dercon kommt das eine spiessige neoliberale Note von Kosmopolität hinzu, die genau das falsche ist und das Theater als Theater kaputt macht. Unter der Volksbühne war es immer gelungen international spannend zu sein ohne diese artsy aufgesetzten Floskeln von Kosmopolität, ohne die eigene Wichtigkeit und "Einzigartigkeit". Man muss ja nur mal die Kantine der Volksbühne anschauen, das hat Herz, das ist unverwechselbar, und Dercon macht diese Kultur einfach platt. Das Zitat von der Pressekonferenz "die Volksbühne ist immer ein Begriff gewesen" sagt alles.