: Wettbewerb mit gewissen Vorzügen
Fairness Das niedersächsische Wirtschafts-ministerium hat in einer Ausschreibung ein hannoversches Unternehmen bevorzugt. Dabei ist es eigentlich Aufgabe des Ministeriums, über Chancengleichheit zu wachen. Die CDU fordert eine Untersuchung
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von Andrea Scharpen
Vergabefilz nennt die CDU-Fraktion, was gerade im niedersächsischen Wirtschaftsministerium vor sich geht. Dort fliegt der Staatssekretärin Daniela Behrens (SPD) gerade eine bundesweite Ausschreibung um die Ohren. Die Ministeriumschefin hatte ein Unternehmen aus Hannover bevorzugt und damit die Chancengleichheit bei dem Vergabeverfahren ausgehebelt. Fehler im Vorfeld der Ausschreibung hätten zu „Wettbewerbsbeschränkungen“ geführt, gab Behrens offen zu und entschuldigte sich. Die CDU fordert eine genaue Überprüfung.
Konkret geht es um die Umgestaltung der Webseite www.nds.de. Dort sollen sich Unternehmen über die Ansiedlung in Niedersachsen informieren. Doch vor dem Relaunch verirrten sich im Monat nicht viel mehr als 400 Nutzer auf die Seite. Das Ministerium wollte also Geld in die Hand nehmen, um den Auftritt moderner zu machen. Doch anstatt sich selbst ein Konzept zu überlegen und darauf basierend die Ausschreibung zu veröffentlichen, zog Behrens schon im Vorfeld die Digitalagentur Neoskop aus Hannover hinzu, die später die Ausschreibung gewonnen und damit auch den 180.000 Euro schweren Auftrag bekommen hat.
„Das war sehr unglücklich“, sagt Behrens heute. „Gespräche im Vorfeld des Ausschreibungsverfahrens hätten in dieser Intensität nicht stattfinden dürfen.“ Die Webdesigner waren insgesamt dreimal im Ministerium, bei zwei Treffen war auch Behrens anwesend. Ein erstes Treffen hätte noch als legitime Markterkundung gelten können, sagt der Sprecher des Wirtschaftsministeriums, Stefan Wittke. Er erwartet Schadensersatzforderungen der anderen Bewerber.
Doch nach den weiteren Treffen hätte die Agentur wegen ihrer Beratungen als „vorbefasstes Unternehmen“ gelten müssen. Die Vergabeordnung sieht dann vor, dass die Wettbewerbsgleichheit wiederhergestellt wird. Dafür hätten die anderen sechs Bewerber etwa über den Inhalt der Gespräche informiert werden müssen. „Das ist nicht passiert“, sagt Wittke.
Im Gegenteil: Neoskop hatte schon eine Präsentation mit einem Konzept für die Seite erarbeitet, die den Konkurrenten aber nicht vorlag. In internen Mails, die auch der taz vorliegen, schreibt Behrens an ihre Mitarbeiter: Die Präsentation von Neoskop solle „Leitlinie für die Ausschreibung sein“.
Dass die Agentur den Wettbewerb später gewann, sei deshalb kein Wunder, auch wenn das Ministerium betone, dass die eigentliche Ausschreibung selbst korrekt abgelaufen sei, kritisiert der CDU-Abgeordnete und ehemalige Innenminister Niedersachsens, Uwe Schünemann. „Es war völlig klar, dass diese Qualität nur von Neoskop erreicht werden konnte“, sagt Schünemann. Schließlich seien die Kriterien vorher mit ihnen abgesprochen gewesen.
Die CDU-Fraktion fordert, dass Behrens ihr Amt als Staatssekretärin ruhen lässt, bis der Vorfall geprüft wurde. Auch ein Disziplinarverfahren oder Ermittlungen wegen Untreue müssten erwogen werden, so Schünemann. Besonders schwerwiegend seien die Fehler, weil das Wirtschaftsministerium selbst für die Prüfung von Vergabeverfahren öffentlicher Aufträge auf den kommunalen Ebenen zuständig sei.
Die Ausschreibung öffentlicher Aufträge ist im Vergaberecht geregelt. So sollen sie transparent sein, niemanden diskriminieren und das Sparprinzip der Verwaltung berücksichtigen.
Bei Aufträgen unter 500 Euro kann die Behörde selbst entscheiden, wen sie engagiert oder welches Produkt sie kauft.
Darüber müssen die Behörden mindestens drei Angebote vergleichen, dürfen aber ohne formales Verfahren entscheiden.
Ab 25.000 Euro ist in Niedersachsen eine nationale Ausschreibung vorgesehen.
Ab 209.000 Euro müssen die Behörden das Projekt sogar EU-weit ausschreiben.
Ministeriumssprecher Wittke schließt aus, dass Behrens ihr Amt ruhen lässt. „Der Sachverhalt ist mit dem persönlichen Eingeständnis klar“, sagt er.
Doch auch der Bund der Steuerzahler in Niedersachsen fordert eine weitere unabhängige Prüfung vom zuständigen Landesrechnungshof. „Wenn sich die vermuteten Verstöße gegen das Vergaberecht bestätigen, müssen die Verantwortlichen im Ministerium zur Rechenschaft gezogen werden“, sagt der Landesvorsitzende Bernhard Zentgraf. Das Ministerium müsse als oberster Wettbewerbshüter sicherstellen, dass ein Berater nicht gleichzeitig als Bieter auftrete.
Der Landesrechnungshof hat jedoch schon abgewunken. „Nach dem jetzigen Kenntnisstand sehen wir für eine Ad-hoc-Prüfung keinen Anlass“, sagt Sprecherin Jasmin Rex.
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