Liebeserklärung: Ursula von der Leyen
Ihre Truppe performte Wehrmachtsausstellungen der besonderen Art. Das wird jetzt aufgearbeitet – basisdemokratisch
Andere Länder haben Björk, Balzac und Beyoncé. Wir haben Hitler. Er regnet vom Fernseher wie Tränen im Spätkapitalismus, wie Gefühl aus Kostümen von Französischlehrerinnen oder wie einfach nur Regen. Heroischer Widerstand gegen die Dauerberieselung erstrahlte dabei schon vor 30 Jahren: „Steckt nicht in vielen der Argumente und Fragen ein Kern des Richtigen, die gleichsam eine Mauer gegen das Verlangen nach immer fortgehender ‚Auseinandersetzung‘ mit dem Nationalsozialismus aufrichten?“ So fragte ein Professor Nolte aus Berlin. Das „Verlangen“ nämlich war unter anderem im Jahr davor durch eine beeindruckend wenig rechtsradikale Rede des Bundespräsidenten von Weizsäcker für immer gestillt worden. Schlussstrich.
Nein, sagt nun: die Bundeswehr. Nein, wir haben uns noch nicht genug auseinandergesetzt. Bundeswehr, waren das nicht die mit der Rommelkaserne? Andererseits verständlich – schließlich sind die Kasernen wohl die einzigen Orte im Land ohne funktionierende Elektrogeräte, ohne die Lochis und Hitler-TV. Aus Langeweile kommen die Tarnfarbenträger schon mal auf dumme Ideen: futtern sich wehruntauglich, studieren praxisnah die Folgen von Folter, sammeln „wehrkundliche Exponate“, singen das „Panzerlied“ oder hängen Bilder von Gottkanzler Helmut Schmidt in Wehrmachtsuniform auf.
Führer im Himmel, wer konnte das ahnen? Gut, dass Oberkommandeurin Ursula von der Leyen die richtige Deutung parat hat: Im besten Kuratorinnenjargon sprach sie im „heute-journal“ von einem „Aufenthaltsraum, in dem Devotionalien von der Wehrmacht gewissermaßen monothematisch ausgestellt waren“. Was Feuilleton, Studentenprotesten, Wehrmachtsausstellung und 1001 WG-Plena (wohl wegen fehlender Disziplin) nicht gelang, geschieht nun basisdemokratisch im Herzen der Truppe. Vergangenheitsbewältigung, oh tanztherapeutische Konfrontation. Die Wandlung der Bundeswehr ist in vollem Gange – Galerie- statt Edelweiß. Neue, populäre Kasernennamensträger: Günther Jauch, Andrea Berg, Jan Böhmermann, Xavier Naidoo. We love you, von der Leyen. Adrian Schulz
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