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Erbitterter Kampf um den Biergarten

Widerstand Das Aus für Schumachers Biergarten im Hamburger Stadtpark ist beschlossen: Ein Gericht hat im Streit zwischen der städtischen Besitzerin Bäderland und dem Betreiber entschieden, dass dieser gehen muss. Thorsten Köpp bleibt trotzdem

Aus Hamburg Milena Pieper

Vorsichtig steckt er seine linke Hand in den Spalt zwischen den dunkelroten Backsteinen, die andere Hand vergräbt er in der Tasche des Anoraks. „Ich kann hier das Mauerwerk mit der Hand rauspulen“, sagt Thorsten Köpp und blickt über die Tische und Bänke seines Biergartens. „Alle Gebäude, die wir hier haben, sind marode.“

Köpp steht neben dem geschlossenen Veranstaltungsgebäude von Schumachers Biergarten im Hamburger Stadtpark. Früher haben hier Beachpartys und andere Events stattgefunden. Jetzt muss sich der Gastronom auf einen Garten mit Ausschank beschränken und froh sein um jeden Tag, an dem er weitermachen kann. Denn Köpp streitet sich mit seiner Vermieterin, der städtischen Bäderland-Gesellschaft, die ihm gekündigt hat. Köpp hat dagegen geklagt und verloren. Eigentlich müsst er raus – doch Köpp denkt gar nicht daran, zu gehen.

„Klar ist geöffnet, wieso denn nicht?“, fragt er und zuckt mit den Schultern. Köpp trägt Jeans, Turnschuhe und einen dicken blauen Anorak, die Haare vorn zurück gegelt, einen Drei- – oder vielleicht auch Fünf-Tage-Bart. Die Laune scheint er sich trotz des Streits nicht verderben zu lassen, er hat schließlich etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt: einen Biergarten direkt am See.

„Wohl Hamburgs schönster Sonnenuntergang“ steht in roten Buchstaben auf einem Schild über dem Eingang. Durch ein Metalltor oder eine der beiden Drehtüren gelangt man hinein. Tische und Bänke stehen unter freiem Himmel. Am Ausschank gibt es Snacks und Getränke. Hinter einer Mauer liegt der Stadtpark.

Am Ende einer weiten, grünen Fläche ist das Planetarium zu sehen, das mal ein Wasserturm war. Direkt neben dem Biergarten liegt das Naturbad Stadtparksee, dahinter der See selbst. Die Umgebung ist idyllisch, doch für Thorsten Köpp ist im Moment kämpfen angesagt. Wirklich gut ausgekommen ist er mit seinem Nachbarn noch nie.

Denn der Betreiber des Schwimmbads ist Köpps Vermieterin Bäderland, der fast alle öffentlichen Schwimmbäder in Hamburg gehören. 1998 hat Köpp den Biergarten von Bäderland gemietet, doch Mitte April hat das Landgericht Hamburg nach jahrelangem Streit entschieden, dass er gehen muss – und zwar sofort. Denn Bäderland hatte ihm gekündigt, weil Köpp sich geweigert hatte, die komplette Miete zu zahlen. Er fühlt sich aber im Recht und bleibt trotzdem – so lange wie möglich.

Köpp wirft Bäderland vor, die Gebäude am Südring 5b verkommen zu lassen – dabei stehen sie mit Ausnahme des Veranstaltungsgebäudes unter Denkmalschutz. Teile davon habe er für die Gäste sperren müssen. Tatsächlich zieht sich im Lager ein Riss an der weißen Wand von der Decke bis zum Boden. Im Veranstaltungsgebäude kann man durch die Risse in den Mauern bis nach draußen schauen. Der Boden ist abgesackt.

„Mensch, da ist es ja. Das ist ja witzig!“, sagt Köpp und zieht eines der beiden Schilder mit Holzrahmen aus der Ecke des Unterstands. „Kommt mal rüber und stellt die wieder auf“, sagt er zu zwei Angestellten. „Liebe Gäste, dieser Bereich ist aufgrund von Einsturzgefahr gesperrt!“, steht auf den Schildern.

Das wollte Köpp seinen Gästen also doch mitteilen, mit offenen Karten spielen. Bäderland scheint das verhindert zu haben. Ein Mitarbeiter müsse das Schild entfernt haben, sagt Köpp. „Die wollen keinen Imageschaden!“

Michael Dietel, Sprecher von Bäderland, wehrt sich gegen die Vorwürfe: Die Gebäude seien nutzbar, es handle sich lediglich um „kosmetische Schäden“. Er betont, dass Köpp sich widerrechtlich auf der Fläche befindet.

Köpp weiß das, aber noch lässt er sich nicht vertreiben. Er will weiter gegen Bäderland kämpfen und das Unternehmen wegen der, wie er findet, Wuchermietpreise verklagen. „Die Klage kommt bestimmt!“, sagte er letztes Wochenende und schien sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein. Dabei hat er eine laufende Klage gegen Bäderland erst einmal eingefroren. Zurzeit sprechen die Anwälte beider Seiten wieder miteinander.

Im Biergarten macht Köpp munter weiter und freut sich auf sonnigere Tage. Der Biergarten ist schließlich sein „Kind“, wie er sagt, sein Projekt. Jeden Tag ist er dort, kümmert sich mehr um den Biergarten als um seine eigene Familie, wie er etwas zerknirscht zugibt. Er setzt sich auf eine der Bänke. Geduldig erzählt er vom Streit mit Bäderland, vom Biergarten und dessen Geschichte.

Vor 19 Jahren hat Köpp Schumachers Biergarten eröffnet. „Ich war damals als Caterer auf der Globeboot-Messe hier“, erinnert er sich. Er bewarb sich bei Bäderland als Mieter – für eine Holzbretterbude, wie er sagt. Seit 1938 hatten die Gebäude neben dem Stadtparksee leer gestanden. Köpp hat sie zu einem Traditionsunternehmen und zu einem top Standort gemacht. „Ich habe das hier geschaffen, damit die Hamburger einen geilen Sonnenuntergang genießen können“, sagt er, „nicht, damit es Streit gibt.“ Der Gast dürfe nichts von all dem mitbekommen.

Ein echter Gastwirt ist Köpp also, der Gast steht an erster Stelle, ist König hier im Biergarten. Und auch der Stadtpark liegt Köpp am Herzen. Ein paar Meter entfernt vom Biergarten steht eine historische Tafel, die über die alte Stadthalle informiert.

Schon als Kind war Köpp, der heute 54 Jahre alt ist, häufig hier. „Ich habe das genossen, hier gab es ja so viele Eichhörnchen“, sagt er. Als echter Hamburger kennt Köpp sich auch mit dem Architekten Fritz Schumacher aus. Der hat, wie fast alles im Stadtpark, auch die Stadthalle entworfen, die dann zwischen 1912 und 1916 dort errichtet wurde, wo heute die historische Tafel steht. 1943 ist sie bei der Operation Gomorrha, dem verheerenden Luftangriff der Briten und Amerikaner auf Hamburg, zerbombt worden.

Schumacher prägte nicht nur den Stadtpark, sondern gilt als der Begründer der modernen Landesplanung in Hamburg und Umgebung. Er plante etwa die Davidwache an der Reeperbahn und das Museum für Hamburgische Geschichte. Und 1998 hat Köpp seinen Biergarten nach ihm benannt.

Das angrenzende Naturbad, über dem die blau-weiße Bäderland-Flagge im Wind weht, gibt es seit 1936. Wer im Biergarten sitzt, schaut direkt auf das dunkle Wasser. Am Steg fehlen vereinzelt Holzbretter und zehn Stufen führen zur Liegewiese. Rund herum steht ein hoher Zaun. Köpp ist überzeugt, dass mehr Badegäste kommen, seit es Schumachers Biergarten gibt. Das Schwimmbad findet er trotzdem „nicht so schön“, wie er auch auf seiner Website deutlich macht.

In den 1950er-Jahren wurde das Bad den Hamburger Wasserwerken, die heute Bäderland heißen, überlassen und eingezäunt. Ein weiterer Streitpunkt, denn Köpp will einen Stadtpark für alle Bürger – ohne Zäune. Die rosteten außerdem und ein Park müsse schön sein, findet er – schön und eben auch sicher.

„Die Mängel an den Gebäuden moniere ich seit 2014“, sagt er. Als Bäderland nicht auf seine Beschwerden reagierte, habe er Anfang 2016 die Miete gemindert. Bäderland war natürlich nicht begeistert und hat ihm schließlich im Juni 2016 zum Jahresende gekündigt. Schlichtungsversuche waren nicht erfolgreich.

20 Prozent des Bruttoumsatzes muss Köpp als Miete zahlen. „Das sind etwa 200.000 Euro im Jahr“, sagt er. Er findet das zu viel. Michael Dietel von Bäderland sagt, es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Miete von 18 auf 20 Prozent steigen werde, das stehe im Vertrag. Doch dass Bäderland Köpp loswerden will, ist offensichtlich: Das Unternehmen hatte das Gelände bis Mitte Februar ausgeschrieben – für einen Mietpreis von 15 Prozent des Bruttoumsatzes.

Ein Nachmieter ist inzwischen gefunden, doch nennen wollte Bäderland den Ende der Woche noch nicht. Und auch welche Gebäude der Nachfolger tatsächlich nutzen wird, ist unklar. Köpp wartet nun auf den Vollstrecker. Es müsse schließlich erst einmal geprüft werden, ob das Urteil ausreichend ist, findet er. Er geht erst, wenn er wirklich muss.

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