Zynische Feier an Holsteins Küsten: Fischbrötchen auf Kosten anderer

Schleswig-Holstein feiert am Samstag den Weltfischbrötchentag. Rechnerisch gibt es jedoch seit einer Woche keinen deutschen Fisch mehr

Sind nicht immer nachhaltig, aber im Norden Grundnahrungsmittel: Fischbrötchen in allen Variationen Foto: Lukas Schulze/dpa

Es gehört zum Norden wie das „Moin“ zur Begrüßung: das Fischbrötchen – mit Bismarckhering, Matjes oder Lachs. Am Samstag wird an der Küste Schleswig-Holsteins zum fünften Mal der Weltfischbrötchentag gefeiert. Doch nicht jedes Fischbrötchen kann man essen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.

Klar, Fisch ist gesund, aber wir essen in Deutschland mehr davon, als Nord- und Ostsee hergeben. Vergangenen Samstag haben Nichtregierungsorganisationen wie die Umweltstiftung WWF und die Initiative Fair ­Oceans aus Bremen auf den diesjährigen Fish Dependence Day hingewiesen. An diesem Tag ist in Deutschland rechnerisch der Fisch aus eigener Fischerei aufgebraucht und muss importiert werden.

Der WWF formuliert das andersherum: „Wir exportieren Überfischung und beeinflussen damit auch das Leben von Menschen, die stärker von Fisch abhängig sind als wir.“ Einer Prognose des Umweltverbandes zufolge werden sich Millionen Menschen ihr Grundnahrungsmittel Fisch im Jahr 2050 nicht mehr leisten können und ihn exportieren statt zu essen.

Das gelte für den Senegal und weitere westafrikanische Länder, sagt Kai Kaschinski von Fair Oceans. Denn dort werden 30 bis 50 Prozent der tierischen Proteine durch den Konsum von Fisch gedeckt – anders als in Deutschland, wo Fleisch der Hauptlieferant von Protein ist.

Die New Economics Foundation bestimmt jährlich für Deutschland und andere EU-Länder den Tag, ab dem sie rechnerisch auf importierten Fisch angewiesen sind.

Einbezogen wird dabei der gesamte unter deutscher Flagge gefangene Fisch.

Betrachtet man nur die Fangzahlen für Nord- und Ostsee, ist der Tag noch früher im Jahr.

2016 war der Stichtag für Deutschland am 2. Mai, 2015 am 6. April.

Für die EU fällt er in diesem Jahr auf den 6. Juli.

Kaschinski unterstützt regionalen Fischfang, etwa die Fischer die morgens auf die Ostsee hinausfahren und den Fisch direkt vom Kutter verkaufen. Lachs gehöre auf keinen Fall aufs Fischbrötchen. Der werde häufig gezüchtet und mit Fischmehl gefüttert. „Aus vier Kilo Wildfisch wird dabei ein Kilo Fischmehl gemacht“, sagt er. „Dabei geht eine Menge verloren.“

Auch Stella Nemecky, Fischereiexpertin des WWF, rät zurzeit eher zum Verzehr von Hering und Makrele. Sie würden mit Methoden gefangen, bei denen es wenig Beifang gebe und mit denen der Meeresboden geschont werde. Die Empfehlungen des WWF, welchen Fisch Fischesser guten Gewissens konsumieren können, variieren jedoch von Jahr zu Jahr.

Claus Ubl, Sprecher des Deutschen Fischereiverbands in Hamburg, hält den berechneten Stichtag für einen „PR-Gag“ von Umweltorganisationen. Dass 87 Prozent des bundesweit verzehrten Fisches importiert werden, erklärt er mit dem Verhältnis einer großen Bevölkerung zu kleinen Meeresgebieten.

Fisch sei nun mal ein gesundes Lebensmittel. „Wir leben in einer globalen Welt mit globalen Strukturen“, sagt Ubl. Da sei es ganz normal zu importieren und vermutlich falle der Tag in Ländern ohne Küste auf ein noch früheres Datum. Das stimmt: In dem Binnenland Österreich war der Fish Dependence Day im vergangenen Jahr bereits am 19. Januar.

Doch Nemecky ist trotzdem besorgt. „Wir können nicht täglich Fisch essen, dafür gibt es einfach nicht genug“, sagt sie. Es sei daher wichtig, Fisch als Delikatesse zu betrachten. Und auch die Politik sei gefragt, betont sie. Die Bundesregierung müsse sich nachdrücklich für die Einhaltung der Fangquoten einsetzen. Beim Dorsch in der westlichen Ostsee etwa sei das besonders wichtig.

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