Kommentar Schweizer Steuer-Spionage: Nicht der eigentliche Skandal
Mit dem Ankauf von Steuer-CDs hat Deutschland Spielregeln gebrochen. Dass die Schweiz nun offenbar hierzulande spioniert, ist verständlich.
W enn ein ausländischer Geheimdienst in Deutschland Spionage betreibt, denken viele zunächst an China oder die USA – nicht aber an die Schweiz. Dass nun ausgerechnet ein mutmaßlicher Agent aus der Eidgenossenschaft in Frankfurt am Main wegen Spionage festgenommen wurde, zeigt, wo die deutsch-schweizerische Freundschaft endet – beim Thema Steuerflucht.
Der Schweiz ist der Ankauf von Steuerdaten durch deutsche Finanzbehörden seit Langem ein Dorn im Auge. Der festgenommene Spion sollte offenbar erforschen, welche Ermittler mit dem Ankauf betraut sind. Falls die Vorwürfe stimmten, sei das ein „handfester Skandal“, sagte der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans (SPD).
Kein Land der Welt erlaubt Spionage auf eigenem Territorium. Ein Skandal ist die Nachrichtentätigkeit des Nachbarlandes dennoch nicht. Mit dem nach Schweizer Recht illegalen Ankauf von Steuerdaten ab 2010 war es Borjans, der die Spielregeln zuerst brach. Dass die Schweiz nun versucht, gegen Straftaten im eigenen Land mit Spionagetätigkeiten im Ausland vorzugehen, ist eine nachvollziehbare Reaktion. Ausspähen unter Freunden „geht gar nicht“, hat Kanzlerin Merkel einmal in Bezug auf den US-Geheimdienstes NSA beklagt. Genauso könne die Schweizer sagen: Der illegale Ankauf von Steuerdaten durch befreundete Staaten geht auch „gar nicht“.
Dass vermögende Deutsche ihr Geld lange ungehindert in der Schweiz verstecken konnten, liegt im Übrigen nicht nur am Schweizer Bankgeheimnis, sondern auch daran, dass in Deutschland Steuerflucht lange als Kavaliersdelikt betrachtet und nur unzureichend verfolgt wurde. Noch immer drohen im Vergleich zu Eigentumsdelikten geringe Strafen. Mit der Möglichkeit der Selbstanzeige lässt der Staat Steuerbetrügern sogar noch ein Hintertürchen, um eine Strafe abzuwenden. Nach wie vor sind viele Finanzverwaltungen unterbesetzt. Das ist der eigentliche Skandal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen