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Kommentar Schweizer Steuer-SpionageNicht der eigentliche Skandal

Jörg Wimalasena
Kommentar von Jörg Wimalasena

Mit dem Ankauf von Steuer-CDs hat Deutschland Spielregeln gebrochen. Dass die Schweiz nun offenbar hierzulande spioniert, ist verständlich.

Erbost: NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) Foto: dpa

W enn ein ausländischer Geheimdienst in Deutschland Spionage betreibt, denken viele zunächst an China oder die USA – nicht aber an die Schweiz. Dass nun ausgerechnet ein mutmaßlicher Agent aus der Eidgenossenschaft in Frankfurt am Main wegen Spionage festgenommen wurde, zeigt, wo die deutsch-schweizerische Freundschaft endet – beim Thema Steuerflucht.

Der Schweiz ist der Ankauf von Steuerdaten durch deutsche Finanzbehörden seit Langem ein Dorn im Auge. Der festgenommene Spion sollte offenbar erforschen, welche Ermittler mit dem Ankauf betraut sind. Falls die Vorwürfe stimmten, sei das ein „handfester Skandal“, sagte der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans (SPD).

Kein Land der Welt erlaubt Spionage auf eigenem Territorium. Ein Skandal ist die Nachrichtentätigkeit des Nachbarlandes dennoch nicht. Mit dem nach Schweizer Recht illegalen Ankauf von Steuerdaten ab 2010 war es Borjans, der die Spielregeln zuerst brach. Dass die Schweiz nun versucht, gegen Straftaten im eigenen Land mit Spionagetätigkeiten im Ausland vorzugehen, ist eine nachvollziehbare Reaktion. Ausspähen unter Freunden „geht gar nicht“, hat Kanzlerin Merkel einmal in Bezug auf den US-Geheimdienstes NSA beklagt. Genauso könne die Schweizer sagen: Der illegale Ankauf von Steuerdaten durch befreundete Staaten geht auch „gar nicht“.

Dass vermögende Deutsche ihr Geld lange ungehindert in der Schweiz verstecken konnten, liegt im Übrigen nicht nur am Schweizer Bankgeheimnis, sondern auch daran, dass in Deutschland Steuerflucht lange als Kavaliersdelikt betrachtet und nur unzureichend verfolgt wurde. Noch immer drohen im Vergleich zu Eigentumsdelikten geringe Strafen. Mit der Möglichkeit der Selbstanzeige lässt der Staat Steuerbetrügern sogar noch ein Hintertürchen, um eine Strafe abzuwenden. Nach wie vor sind viele Finanzverwaltungen unterbesetzt. Das ist der eigentliche Skandal.

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Jörg Wimalasena
Redakteur Inland
bis Januar 2022
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7 Kommentare

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  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Man sollte nicht vergessen, dass nach einem Urteil des (höchstinstanzlichen) Bundesgerichts in Lausanne vom 02.10.2007, schweizer Steuerstrafbehörden illegal kopierte Informationen nutzen und im Steuerstrafverfahren gestohlene Daten verwerten dürfen.

    Sie unterliegen keinem Verwertungsverbot und machen sich auch nicht strafbar, wenn sie diese (illegal) beschafften Informationen nutzen.

    Dies ist ungefähr so schizophren wie die jahrelang praktizierte Praxis ausländischen Steuerhinterziehern bei ihren Straftaten behilflich zu sein, bzw. sie zu Straftaen anzustiften, Steuerhinterziehung aber generell unter Strafe zu stellen.

  • Können Sie mir erklären, @Jörg Wimalasena, inwiefern man einen Staat, dessen Geschäftsmodell darauf abzielt, die Einnahmen des Staates, in dem SIE Steuern zahlen, trickreich in die eigene Kasse umzuleiten, als "befreundet" bezeichnen kann? Oder, anders gefragt: Würden Sie jemanden, dessen Finger Sie in Ihrem Portemonnaie erwischen, zu einem Bier einladen?

    • @Bitbändiger:

      Ich probiers mal:

      Weil es sich (bei DE) um einen Staat handelt, dessen Geschäftsmodell darauf abzielt, reiche Bürger dadurch anzulocken, dass man auf die Einnahmen dieser seiner reichsten Bürger gnädig verzichtet, um sich das Geld wiederum bei denjenigen abzuholen, die schlechter weglaufen können. (nämlich uns)

      Das ist - ggf. ein wenig überspitzt - die Argumentation für die neoliberale Steuerpolitik der letzten Jahrzehnte.

      • @Sonntagssegler:

        In der Sache ok. Aber es macht schon einen Unterschied, ob ein Staaat mit demokratischen Gesetzen die Steuerlast seiner eigenen Bürger unfair verteilt, oder ob er durch Schutzgesetze weltweite Steuerhinterziehung fördert und damit andere Staaten (bzw. deren ehrliche Bürger) schädigt.

  • Hä? Ein Bisschen viel Verständnis für Bankgeheimnisse und Geschäftsmodelle die auf Steuerhinterziehung beruhen.

     

    Beides ist zu kritisieren, dass die Schweiz ausländischen Kunden beim Steuerhinterziehen hilft, genauso wie der nach wie vor laxe Umgang deutscher Steuerbehörden mit Steuersündern, wie auch jegliche Form von Spionage.

     

    Der wahre Skandal? Wenn Sie mich fragen, dass ein Journalist offensichtliche Schweinereien gegeneinander aufwiegt. Wo soll das denn hinführen?

    • @Grisch:

      Es sind nicht zwei unabhängige "Schweinereien" die gegeneinander aufgewogen werden. Es ist der Versuch mit nachrichtendienstlichen Mitteln, die Hintermänner und Hinterfrauen von organisierter Kriminalität zu ermitteln. Auch vor deutschen Gerichten sind diejenigen strafbar, die die Daten klauen und wenn den deutschen Finanzbehörden Anstiftung zum Datenklau nachgewiesen werden könnte, so wären sie auch nach deutschem Recht strafbar. In Deutschland gibt es aber keine unabhängige Staatsanwaltschaft, die hier ermitteln würde.

      Im Vergleich zum globalen Abhören der NSA ist das ein homöopathisches Maß an Spionage. Wer selbst einen "Verfassungsschutz" hat, der morden und Terroranschläge verüben lässt und nicht gewillt ist, dies aufzuklären, zeigt damit deutlich seine doppelte Moral bei der Empörung über diesen Verstoß der Schweizer Behörden gegen deutsches Recht. Es geht nicht darum, diesen Rechtsverstoß gegeneinander aufzuwiegen, sondern um die doppelte Moral, die hinter der Empörung darüber steht.

      • @Velofisch:

        Dem ist nichts hinzuzufügen!