Geschichte von McDonald's als Film: Manipulator aus dem Imbissladen

„The Founder“ handelt von jenem Verkäufer, der die McDonald-Brüder abzockte. Der Film bewahrt dabei eine erfreuliche Distanz zur „wahren“ Geschichte.

Ein Mann in Anzug steht inmitten einer Menschengruppe vor einem McDonalds-Restaurant und hält die Arme hoch

Ray Kroc (Michael Keaton) lässt sich feiern! Foto: Splendid

Gut läuft es nicht für Ray Kroc. Wieder und wieder hievt der Vertreter den Sommer 1954 hindurch den schweren Edelstahlmixer in den Kofferraum seines Autos, nachdem er wieder und wieder bei Betreibern von Snackbars und Restaurants abgeblitzt ist. Der Mixer ist nicht das Erste, mit dem Kroc abblitzt, er reiht sich ein in eine lange Reihe in der Theorie unfehlbarer Ideen, mit denen Kroc in der Realität gescheitert und doch immer wieder aufgestanden ist.

Nach unzähligen Malen, die Kroc den Mixer wieder verladen hat und zwischen zwei Terminen an einem Diner ein lauwarmes Essen, das er nicht bestellt hat, ans Auto serviert bekommen hat, steht er vor der Offenbarung: ein Burger-Restaurant im kalifornischen San Bernadino. Das Essen wird nicht ans Auto geliefert, sondern muss an einem Schalter bestellt werden. Die Bestellung wird sofort serviert aus einer Hamburgerrutsche und einem kontinuierlichen Fluss von Pommes. Auf einem Schild auf dem Dach des Burger-Restaurants steht der Name McDonald’s.

John Lee Hancocks neuester Film „The Founder“ erzählt, wie Ray Kroc (Michael Keaton), beeindruckt vom ausgetüftelten Speedee-Küchensystem der beiden Brüder Maurice James „Mac“ McDonald und Richard James „Dick“ McDonald, aus dem einzelnen Burgerrestaurant eine landesweite Kette von Franchise-Restaurants aufbaut (die sich später global verbreiten sollte). Unter den skeptischen Augen der beiden Brüder McDonald, die fürchten, die Kontrolle über die Qualität des verkauften Essens zu verlieren, lässt Ray Kroc in wenigen Monaten die Restaurants wie Pilze aus dem Boden schießen.

Doch all dem Erfolg zum Trotz bleiben die Erträge aus den Restaurants für Kroc zunächst mager. Die Gewinnverteilung, die der Vertrag mit den McDonald-Brüdern vorsieht, ist zu eng, um die Verwaltung der Franchiseunternehmen zu finanzieren. Erst als Kroc beginnt, den Baugrund, auf dem die neuen Restaurants entstehen, zu kaufen und anschließend an die Betreiber zu verpachten, wachsen die Einkünfte – und die Konflikte mit den beiden Brüdern McDonald.

Ein Prozent der Weltbevölkerung

„The Founder“ ist ein Industriefilm ohne Industrie und ein hagiografisches Porträt ohne Hagiografie. Die Recherche und das Drehbuch, das Robert D. Siegel für die Produktionsfirma der Weinstein-Brüder entwickelt hat, waren mehr oder weniger fertig, als John Lee Hancock als Regisseur für den Film engagiert wurde. Man merkt dem Film die Faszination für die Neuerung an, die das Küchensystem der Brüder McDonald und die Erfindung des Fast Foods bedeutete.

Der Film wird nicht müde, das Restaurantkonzept für seine Innovationen zu preisen. Der Film schwelgt in Bildern der reibungslosen, zeitlich optimierten Abläufe in den Küchen der Burger-Restaurants; schwelgt im enthemmten Expansionsdrang Ray Krocs, für den die beiden McDonald-Brüder schnell nur noch ein lästiger Klotz am Bein sind.

„The Founder“ wirkt nicht selten, als würde Hancock die Gründungsgeschichte von McDonald’s treudoof nacherzählen bis hin zur bizarren Einblendung am Schluss des Films, die die Zuschauer darüber informiert, dass die Restaurants der Fast-Food-Kette noch heute ein Prozent der Weltbevölkerung ernähren. Überraschenderweise hat Hancock wiederholt erklärt, dass McDonald’s nicht nur kein Geld in den Film investiert hat, sondern unbeeindruckt von der Idee war, die Geschichte des Firmengründers zu verfilmen. Zur offiziellen Firmengeschichte, die den Übergang der Restaurantkette aus den Händen der Gründer an Ray Kroc als harmonisches Miteinander beschreibt, hält der Film in der Tat erfreulich große Distanz.

Die Kraft einer Dampfwalze

Kroc wandelt sich vom ehemaligen Vertreter für Gastromixer und hemdsärmeligen Selfmademan zu einem Macher mit beeindruckendem Gespür für die großen Zusammenhänge. Mit dem Ausbau der Restaurantkette hat das erfolglose Stehaufmännchen Ray Kroc mit einem Mal eine Mission, die er mit der Kraft einer Dampfwalze verfolgt. Keaton spielt diesen Ray Kroc als eine Naturgewalt und vollbringt es, dass der skrupellose Kroc trotz aller Tricks nicht wirklich unsympathisch wirkt.

Das liegt auch an den Ambivalenzen, die die Figur Kroc mit dem Unternehmensmodell teilt, für das er steht: In einer längeren Sequenz in der Mitte des Films ist Kroc bei verschiedenen Werbeauftritten zu sehen, um Franchisenehmer für weitere Restaurants zu gewinnen. Die Auftritte in einer Synagoge, einem islamischen Verband und einer humanistischen Organisation mit weißen und schwarzen Zuhörerinnen und Zuhörern verschmelzen in der Montage zu einem einzigen Werbefeldzug und suggerieren die Gleichheit aller als potenzielle Subunternehmer, durch deren Mitarbeit sich der Gewinn maximieren lässt.

Regie: John Lee Hancock. Mit Michael Keaton, Laura Dern u. a. USA 2016, 115 Min.

Die Wahl der Gründungsgeschichte der McDonald’s-Restaurantkette als Grundlage für „The Founder“ fügt sich nahtlos ein in die Filmografie Hancocks, die zu nicht geringen Teilen aus Filmen besteht, die die amerikanische Populärkultur ausloten. Nach seinem Regiedebüt mit der Cowboy-RomCom „Hard Time Romance“ von 1991 drehte Hancock zwei Sportdramen: „The Rookie“ über den Baseballspieler Jim Morris von 2002 und 2009 „The Blind Side“ über den Footballspieler Michael Oher.

Zwischen diesen beiden Filmen adaptierte Hancock die Geschichte der Schlacht um Fort Alamo aus dem mexikanisch-texanischen Unabhängigkeitskrieg (und bemühte sich gegenüber John Waynes Film über die Schlacht um wenigstens etwas Ausgewogenheit der Perspektiven). 2013 wandte sich Hancock mit „Saving Mr Banks“ der amerikanischen Kulturgeschichte zu. „Saving Mr Banks“ entfaltet die Verhandlungen mit der britischen Autorin der Buchvorlage P. L. Travers und die Entstehungsgeschichte von Walt Disneys Fantasymusical „Mary Poppins“. Der Person gewordene gute Amerikaner Tom Hanks spielt in „Saving Mr Banks“ einen Walt Disney, der von allen reaktionären Abgründen der realen Person auffallend frei ist.

Ein bisschen „Tellerwäscher wird Millionär“

„The Founder“ führt das Interesse an realen Figuren und an den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg als einer Zeit der Neugründung der USA fort, ergänzt den Schematismus vieler früheren Filme von Hancock aber um die Ambivalenzen Krocs. Die Darstellung Ray Krocs in „The Founder“ bricht mit der weich gespülten Harmonie der Selbstdarstellung des Firmenimperiums, das er aufgebaut hat, und zeichnet die Gründungsgeschichte der McDonald’s-Kette sichtlich um Realität bemüht nach.

Indem der Film jedoch in der Perspektive des Managements verharrt und die Auswirkungen der Veränderungen, über die Kroc mit den Gründern bricht und bei denen er die finanziellen Lasten zu seinen Gunsten und zu ungunsten der Franchisenehmer verschiebt, ersetzt der Film den einen Mythos durch einen anderen. Das zeigt sich denn auch in der einzigen Szene, die der Film wiederholt: In dieser geht Kroc auf der Suche nach einem Ort für die erste Filiale in die Hocke, greift eine Handvoll Erde und wirft sie zurück auf den Boden. Ein Boden, der ihn reich machen sollte.

Wie in früheren Filmen ist Hancock allzu sehr um narrative Stringenz und einen überdeutlichen Fokus des Films bemüht, um die Möglichkeiten der Geschichte und von Keatons Verkörperung Krocs voll zu entfalten „The Founder“ reduziert die vielseitige, konflikt­reiche Gründungsgeschichte von McDonald’s und den Aufstieg Ray Krocs auf ein bisschen „Tellerwäscher wird Millionär“ und eine trotz aller Ambivalenzen dichotome Gegenüberstellung zweier kapitalistischer Modelle. Die Egomanie Michael Keatons als Ray Kroc seltener durch die Narration zu bändigen, hätte dem Film vielleicht gutgetan.

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