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Hunde im Büro

HUNDeleben Der Hund ist Haustier, seit es Menschen gibt. Aber das Verhältnis zwischen beiden hat sich geändert. Der beste Beweis dafür: Der Trend zum Bürohund

von Calendal Klose

Also Hunde: Zum Haustier des Jahres 2017 hat die Bremer Stiftung Bündnis Mensch und Tier den Hund ernannt. Das könnte man für überflüssig halten. Schließlich gibt es kein unoriginelleres Haustier als gerade Hunde: Irgendwann vor 15.000 Jahren könnten sich verhaltensabweichende Wölfe mit den Cro-Magnon-Menschen eingelassen, ihre Höhlen aufgesucht und gelernt haben, die Bröckchen und Reste von deren Getreidespeisen zu verstoffwechseln. Sie hätten dann aufgehört zu denken, wie Wölfe, während die Cro-Magnons gelernt hätten, ihre defizitären Instinkte mithilfe der vollausgeprägten Hunde zu ergänzen: Partner sein. Sich gegenseitig ausnutzen. Sich gegenseitig was geben. Produktiver werden als Nahrungsmittelkonkurrenten vom Neandertalstamm. Und aus dem bloß anatomisch-modernen wird, dank Hund, der moderne Mensch, der Häuser baut. Mit Hund drin: Haustier der Haustiere. Muss man nicht gesondert zum Haustier des Jahres machen.

Muss man doch, sagt Carola Otterstedt von der Haustierstiftung, „und gerade deshalb. Wir wollen damit einen Anstoß geben noch einmal neu über den Hund nachzudenken.“ Einerseits nämlich habe sich der Umgang mit dem Hund verändert. Und eigentlich sei das Bild vom unbedingt gehorsamen Hund längst überwunden. Aktuell sei jedoch zu beobachten, dass „immer mehr Leute in die Rolle des Befehlshabers zurückfallen“, sagt sie, „unsichere Menschen“, so ihre Vermutung, die ständig auf ihre Hunde einreden und sie anschreien. „Schrecklich“ findet Otterstedt das. „Dabei haben wir so viel über Hunde gelernt“, so Otterstedt. Und „das ermöglicht echte Partnerschaft, eine reife Partnerschaft“. Eine, bei der die Bedürfnisse beider Seiten respektiert werden. Und genau das wolle man fördern.

Am deutlichsten spricht aber der Wandel aus dem Trend zum Bürohund. Denn ein Hundehalter, der bei der Arbeit ständig auf sein Tier einquasselt, wäre dienstunfähig und würde auch die KollegInnen sabotieren. Genauso ein Hund, der nicht kapiert, wann er stört, wann er hilft – und wann er für Begeisterung sorgt. „Ich brenne da richtig für“, sagt Friedrich Cordes übers Prinzip Bürohund. „Das ist so eine gute Sache.“

Cordes betreibt in Hannover ein Bestattungsunternehmen. Und wo bleibt da die Pie­tät könnte man denken, aber negative Erfahrungen mit dem Bürohund hat Cordes höchstens ganz am Anfang gemacht. „Das war ein bisschen schwierig“, sagt er. Das Tier war ja verwahrlost und völlig untrainiert. Jackie hatte seine Grenzen damals nicht einschätzen können, und er war immer aufgeregt, wenn Besucher zum Gespräch kamen. Damals habe man ihn nicht auf alle Kunden loslassen können, erinnert sich Cordes. Mittlerweile entscheidet das Tier selbst, ob es erwünscht ist. „Der merkt das“, sagt Cordes. Der Hund schnuppert rein, erfasst die Situation – und wenn die Trauernden mit ihm nichts zu tun haben wollen, dann geht er halt wieder zurück in den Nachbarraum. Legt sich auf sein Kissen im Körbchen. Döst. „Die Türe ist immer offen“, sagt Cordes. Nur bei bestimmten Fällen, in schwierigen Situationen, da haben er und sein Kollege ein Zeichen. Bei Unfällen, bei Suizid, oder wenn Kinder trauern. Dann schiebt der Kollege das Körbchen leise rüber, und Jackie weiß: Jetzt ist er an der Reihe. Er soll ein bisschen die Spannung rausnehmen. Ablenken von der Trauer. „Das ist unglaublich wohltuend, weil der Hund da so unverkopft reingeht“, sagt Cordes.

Bürohunde heben die Stimmung und verhindern Burnouts.

Es gibt einen Trend zum Bürohund. Mittlerweile gibt es sie in fast jeder Branche. Aber die Verteilung ist sehr ungleich: Cordes beispielsweise scheint der einzige Bestatter in Norddeutschland zu sein, bei dem ein Hund in der Trost- und Trauerarbeit mitwirkt. Selten sind die Betriebe, die hauptsächlich auf Kundenverkehr angewiesen sind, wie etwa Autohäuser: Möglich, dass die Sorge zu groß ist, ein Hund könnte Klienten abschrecken. Denn ja, Hundeangst gibt es, und es gibt auch kulturelle Vorurteile.

Hinter den Standortfähnchen auf der Online-Karte des Bundesverband Bürohund (BVBh), verbergen sich zu einem großen Teil PR-Agenturen, Design- und Fotoateliers. Auch gibt es eine stattliche Anzahl TiertherapeutInnen, Hundetrainer, Zoogeschäfte oder Futterfirmen. Manche Unternehmen hingegen wirken auf den ersten Blick exotisch in dieser Liste. Sanitätshäuser etwa. Oder zum Beispiel lässt sich denken, dass ein Hund mit feintechnischen Anlagen in Konflikt gerät. Aber „das passiert bei uns nicht“, sagt Sylvia Klövekorn vom Hamburger Licht- und Optik-Spezialisten System Eickhorst. Die Fertigung für die Spezialmikroskope und gemmologischen Geräte, aber ist in einem anderen Gebäude, über den Hof, „da kommt Amy gar nicht hin“, so Klövekorn. „Meistens sitzt sie hier bei mir unterm Schreibtisch.“ Ein herziges Foto von Amy hat man auf Facebook gepostet: Da sitzt die kleine schwarze Hündin vorm Lichtmikroskop und es sieht aus, als untersuche sie durchs Okular irgendwelche Leckerli. Das ist Werbung – quasi aus Versehen. Entsprechend können Bürohunde auch größere Rollen in der Firmenkommunikation übernehmen. Wie der von Andreas Jene, Inhaber der Bader&Jene GmbH aus Kiel, ein Entwickler für Unternehmenssoftware. Vor 13 Jahren hatte man gerade ein neues Zeiterfassungssystem für Betriebe entwickelt, erzählt Jene. „Und dann sitzt man da und ist auf der Suche nach dem richtigen Namen“. Verwirft bescheuerte Wortspiele. Entdeckt, dass die Favoriten schon anderen eingefallen sind – und die Domain verkauft ist. „Irgendwann ist der Designerin der Kragen geplatzt, und sie hat gesagt: Frag doch Dante!“ Dante nämlich ist Jenes Hund. Aus diesem Stoßseufzer ist dann der Markenname geworden, askDante, mit der Silhouette des Tiers als Logo, obwohl die nichts miteinander zu tun haben: „Aber der Wiedererkennungswert ist sehr hoch.“

Chefs sind als Hundehalter in einer Luxusposition. Angestellte, die gerne einen Hund im Büro hätten, haben dagegen oft einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten. Dabei ist ein Bürohund genau besehen ein gutes Mittel, Kosten zu senken, hatte der BVBh-Vorsitzende im Januar der Zeitschrift Dogstoday vorgerechnet: „Er macht und hält die Mitarbeiter gesund“, so Markus Beyer, und er „trägt zu einem verbesserten Betriebsklima bei“. Insbesondere verhindere er Burnouts. Somit steigere er die Produktivität. Es liege also „im Interesse des Chefs, Bürohunde zuzulassen“. Selbst wenn ihn nur die Zahlen interessieren.

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