: Partnerschaft geht vor Leidenschaft
ROMANZE „A United Kingdom“, eine ungewöhnliche Liebesgeschichte im London der vierziger Jahre
Einerseits ist es ein Klischee: die Liebe, die alle Grenzen überwindet, so wie bei „Romeo und Julia“ von Shakespeare. Andererseits kann diese Art der Literarisierung auch den Blick auf die Liebe als reale historische Kraft, die überkommene Machtstrukturen aufbricht und Reformen erzwingt, verstellen.
Die „wahre“ Geschichte, die Amma Asante in „A United Kingdom“ erzählt, ist dafür ein Beispiel. Ein afrikanischer Prinz heiratet 1947 eine Londoner Sekretärin und provoziert damit nicht nur das rassistische Denken, sondern auch die britische Kolonialmacht und das Apartheidland Südafrika. Dass der Film über weite Teile trotzdem als Klischee einer großen Liebe daherkommt, dokumentiert so gesehen lediglich die andauernde Schwierigkeit, ein Gefühl als historisches Faktum abzuhandeln. Dabei zeigt Asante leider wenig Interesse an den Vorbedingungen dieser Liebe. Die Vorurteilsfreiheit der Sekretärin Ruth (Rosamund Pike) ist nicht anerzogen, schließlich will ihr Vater sie enterben, als er von ihrer Heirat mit einem Schwarzen erfährt. Der Film deutet Ruths Offenheit als Konsequenz von Lebenslust an: Wenn sie sich überreden lässt, zu einer Party mit afrikanischen Studenten zu gehen, wird der gesuchte Kontrast sichtbar zum grauen, eingeschränkten Londoner Alltag des Jahres 1947.
Hinzu kommt, dass sich mit der Selbstständigkeit einer Berufstätigen sowohl die Horizonte als auch die Sehnsüchte weiten. Als Ruths Blick bei jener Party auf Seretse (David Oyelowo) fällt, hat der Film es jedoch fast verdächtig eilig, die Begegnung zweier Fremder in ein Zusammentreffen von Gleichgesinnten zu verwandeln. Nicht die Gegensätze – sie, blond, aus einfachen Verhältnissen, er, schwarz, ein zukünftiger König – werden betont, sondern ihre Ebenbürtigkeit im Dialog und ihr inniges Verständnis füreinander. Dem Zuschauer wird deutlich, dass Ruth und Seretse auf perfekte Weise das britische Liebesideal verkörpern mit seiner Betonung der Partnerschaft vor der reinen Leidenschaft.
Die Londoner waren dafür noch blind, weshalb das schöne Paar sich bald gegen Anfeindungen auf der Straße wehren muss.
Die Widerstände, die ihre Liebe erfährt, bilden nur das Vorspiel für komplexere Auseinandersetzungen. Als Ruth ihrem Seretse nach Bechuanaland (damals britisches Protektorat) folgt, erscheinen die Gegenkräfte zugleich konkreter und diffuser. Der Onkel will Seretse nicht mehr als König einsetzen. Der Empfang für die blonde Schönheit durch Seretses weibliche Verwandtschaft fällt ausgesprochen kühl aus. Der Nachbar Südafrika übt Druck aus, weil er sich durch die „Mischehe“ provoziert fühlt.
Zu den Stärken des Films gehört, dass er die verschiedenen Formen der Ablehnung als nachvollziehbare Reaktionen in den jeweiligen Verhältnissen zeigt. Einzig bei der Darstellung der britischen Verwaltungs- und Regierungsvertreter gestatten sich die Macher das Abgleiten in herkömmliche Bösewichtsschablonen. Vor allem den Hauptdarstellern Rosamund Pike („Gone Girl“) und David Oyelowo („Selma“) ist es zu verdanken, dass „A United Kingdom“ über Pathos und Klischee hinweg fesselt. Oyelowo spielt seinen Prinzen als die emotionalere, sogar sentimentalere Hälfte des Paares, während Pike ihrer Sekretärin Wärme und Entschlossenheit, aber auch eine streberhafte Steifheit verleiht. Einmal mehr sind es solch kleine charakterliche Unreinheiten, die für die Figuren und ihre Geschichte einnehmen. Barbara Schweizerhof
„A United Kingdom“. Regie: Amma Asante. Mit Rosamund Pike, David Oyelowo u. a. Großbritannien 2016, 111 Min.
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